Sexsymbol/Mörderin/Ärztin

Schauspielerin Natalia Avelon meistert jede Rolle. Zur Erholung geht sie nach Baden-Baden in die Therme und zum New Pop Festival

Jede Rolle ist eine neue Herausforderung. „Ich spiele ja nie mich selbst, sondern versuche, mich authentisch in die jeweilige Rolle einzufinden. Für mich ergeben sich dabei spannende Charakterstudien. Kürzlich spielte ich eine Prostituierte in dem Taunus-Krimi „Böser Wolf”, davor eine Ärztin und eine Mörderin“, erzählt Natalia Avelon. Ihren Durchbruch erlebte die Schauspielerin 2007 als Uschi Obermaier in dem Kinofilm „Das wilde Leben“. In der Filmbiografie über das deutsche Sexsymbol der 68er stand Avelon unter anderem an der Seite von Matthias Schweighöfer. „Eine Zeitlang konnte ich das Wort sexy wirklich nicht mehr hören. Anfangs war die Rolle wie ein Fluch, aber mittlerweile weiß ich die Vorzüge zu schätzen. Diese Rolle hat mir Türen geöffnet, es war mein Debüt, das ist und bleibt etwas Besonderes. Ich habe ein Jahr lang sehr hart gearbeitet und mich intensiv mit den 1960ern und 70ern auseinander gesetzt. Mit der echten Uschi Obermaier habe ich definitiv meine Freiheitsliebe gemeinsam“, lacht die sympathische, offene Frau.

Und überhaupt sei, wenn man im Großen denke, alles doch sehr relativ, ergänzt sie klug. Für diesen Film hat Avelon zusammen mit Ville Vale den Hit „Summer Wine“ neu aufgenommen. Die Single wurde mit Platin ausgezeichnet, eroberte fast ein Jahr lang Platz 2 in den Charts und machte sie als Sängerin in ihrem Geburtsland Polen bekannt.

Natalia Avelon ist 1980 in Breslau geboren und emigrierte im Alter von neun Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland. Die erste Zeit lebte sie in Ettlingen in einem Flüchtlingsheim, zusammen mit anderen Nationalitäten. „Wir sind sehr nett aufgenommen worden. Hier habe ich schnell eine zweite Heimat gefunden und in der Schule die deutsche Geschichte gelernt“, erinnert sie sich.

Von Baden-Baden begeistert

Wenn sie ihre in Schöllbronn lebenden Eltern besucht, dann kommt sie auch regelmäßig in die Kurstadt. „Ich bin sehr gerne in Baden-Baden, SWR3 ist definitiv mein Lieblingsradiosender und ich besuche so oft ich kann das New Pop Festival. Kürzlich habe ich Anna Netrebko im Festspielhaus gehört und war absolut begeistert“, schwärmt Avelon. Von der harten Arbeit Abend für Abend auf der Bühne erholt sie sich in der Caracalla Therme oder schlendert einfach an der Oos entlang. Sie liebt nicht nur Film und Theater, sondern auch Kunst und Musik. Einen großen Wunsch hat sie noch: Sobald Zeit ist, will sie einmal ins Baden-Badener Casino, um Roulette zu spielen. Doch selbst wenn sie mit Rot und Schwarz richtig viel Geld gewinnen würde, ihre Arbeit hängt sie bestimmt nicht an den Nagel. „Ich habe definitiv meinen Traumjob und bin sehr gerne unterwegs. Zur Zeit spiele ich in einer polnischen Fernsehserie“, erklärt Avelon, die ihre beiden Nationalitäten harmonisch miteinander vereint. Von ihren polnischen Wurzeln habe sie die Melancholie und die Liebe zu Pirroggen (gefüllte Teigtaschen), in Polen dagegen praktiziere sie deutsche Pünktlichkeit. „Ich sehe das energetisch und emotional, mir geht es in erster Linie um den Menschen und nicht um die Nation“, sagt Avelon. Würde sie jetzt nach Amerika ziehen, so könnte sie sich problemlos in eine dritte Kultur integrieren.

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Nach dem Abitur stand Avelon erstmals im Karlsruher Jakobus Theater auf der Bühne. Noch unter ihrem bürgerlichen Namen Natalia Siwek entdeckte sie dabei ihre Liebe zur Schauspielerei, nahm Unterricht, lernte Englisch, Hip-Hop tanzen und ließ sich coachen. Schon drei Jahre später begann sie als Natalia Avelon ihre Filmkarriere und spielte 2002 in der Komödie „Der Schuh des Manitu“. Jährlich hat sie etwa vier bis fünf ganz unterschiedliche Fernsehrollen.

Dieses Jahr feierte Avelon in Karlsruhe auf einer professionellen Theaterbühne Premiere. Für das Kammertheater spielte sie eine Hauptrolle in der Komödie „Wer mit Wem – Die Wahrheit“. In dem philosophischen Stück aus der Feder des Franzosen Florian Zeller geht es um zwei Paare, die einander mit dem jeweils anderen Partner betrügen und sich fragen, ob es besser ist, weiter zu lügen, um den anderen zu schützen oder die Wahrheit zu sagen. „Manchmal verletzt die Wahrheit mehr als eine Lüge, aber ich bin ein ehrlicher Mensch und finde es mutiger, die Wahrheit zu sagen, auch wenn es risikoreicher ist. Manche können jedoch mit der Wahrheit nicht umgehen“, sinniert der Star.

„Mit der echten Uschi Obermaier habe ich definitiv meine Freiheitsliebe gemeinsam“

Erfolgreicher Auftritt im Karlsruher Kammertheater, hier zusammen mit Karsten Speck.

Interaktion mit dem Publikum
Avelon freut sich, wenn ihre Aufführungen die Besucher zum Schmunzeln und zum Nachdenken anregen. „Ich bin ein großer Fan von intelligenter Kunst und brauche immer eine Facette hinter der leichten Kost. Kunst muss ein Geheimnis haben“, meint die hübsche Brünette. Am Theater liebt sie die Interaktion mit dem Publikum, dabei übertrage sich die Energie der Zuschauer auf die Darsteller. „Ich bin jeden Abend voller Freude auf die Bühne“, meint die sportliche Frau, die seit ihrer Jugend ein großer Fan des KSC ist und selbst lange Jahre Leichtathletik trainiert hat. Natürlich träumt auch Avelon davon, an einem Film mitzuwirken, der in die Geschichte eingeht oder sich weltweit auswirkt. Immerhin hatte sie bereits Castings mit Detlev Buck, Leander Haußmann, Dominik Graf und Oskar Roehler, den großen zeitgenössischen deutschen Regisseuren.

Und: Die begabte junge Frau hat das Zeug dazu, noch ganz groß rauszukommen. Sie selbst liebt Filme von David Lynch und war von „Avatar“ ebenso begeistert wie von „Der Zauberer von Oz“. Derzeit steht Avelon auf Serien und schaut gerade die amerikanische Politserie „House of Cards“.

Am liebsten ist sie im Zug unterwegs, da lernt man spannende Leute kennen. Nach Asien will sie noch (wohl eher mit dem Flugzeug) und nach Skandinavien. Fotografie, Metaphysik und Architektur zählen zu ihren Steckenpferden und Freiheit ist ihr ein hohes Gut. Natalia Avelon hat einen lässig natürlichen Style, sie folgt ihrem Herzen, ist neugierig und lebt selbstbestimmt, eine Frau, die nicht nur in ihren Rollen überzeugt und die weiß: „Wenn man sich selbst belügt, wird man nicht glücklich. Man sollte sich selbst gegenüber ehrlich sein, auch wenn man dafür mal gegen den Strom schwimmen muss!“

Ute Bauermeister