Sie zeigt den Männern, was Frauen können

Begegnung mit Jule Janson: Betonbauerin und Kampagnenbotschafterin des Handwerks aus dem Kammerbezirk Karlsruhe

Das Gesicht ist bundesweit bekannt. Jule Janson (22) ist gelernte Beton- und Stahlbetonbauerin. Als Kampagnenbotschafterin für das Handwerk wirbt sie auf Plakaten und in den sozialen Medien mit ihrem Gesicht für eine handwerkliche Ausbildung. Bei der Deutschen Meisterschaft in den Bauberufen holte sie Gold. Als Frau auf der Baustelle ist sie eine Exotin. Sie hat gelernt, den Mund aufzumachen und zeigt den Männern, was Frauen können. Die Bauingenieur-Studentin aus Mühlacker steht für mehr Frauenpower im Bauhandwerk: „Diesen Beruf kann eigentlich fast jede Frau ausüben“, sagt sie. Welche Skills man dafür braucht und wie sie mit ihren männlichen Kollegen und mit Dauerregen klarkommt, verrät sie im Interview.

Betonbauer ist ein absoluter Männerberuf. Warum haben Sie sich ausgerechnet für diesen Beruf entschieden?
Jule Janson: Nach dem Abi hatte ich nach der Paukerei Lust, etwas Handwerkliches zu machen. Das Bauingenieursstudium hatte ich zwar schon angepeilt, aber ich wollte nicht gleich weiter büffeln. Den Betonbauer fand ich unter den Handwerksberufen besonders spannend. Auch, weil er eben (noch) ein typischer Männerberuf ist.

Neubau und Sanierung von Wohnhäusern, Industriehallen, Treppen, Brücken ... körperlich müssen Sie richtig anpacken. Brauchen Sie auch manchmal Hilfe von Ihren männlichen Kollegen?
Jule: Eigentlich kann man als Frau fast alle Tätigkeiten bewältigen. Aber es gibt auch Dinge, wie zum Beispiel einen Wanddurchbruch. Die Maschinen dafür sind echt schwer. Da muss man sich als Frau schon Hilfe holen. Aber alle meine Kollegen helfen immer gerne.

Wie sieht es mit der Akzeptanz der Kollegen aus?
Jule: Eigentlich ganz gut. Bei den jüngeren ist das ohnehin kein Thema. Manchmal schwingt bei den älteren Kollegen noch ein bisschen Skepsis mit, das nehme ich schon wahr. Sie sind zwar immer sehr hilfsbereit, können aber manchmal nicht ganz verstehen, wie man als Frau einen solchen Job machen kann.

Haben Sie manchmal Muskelkater?
Jule: Ja, hatte ich am Anfang relativ oft, weil die Bewegungen anstrengend und ungewohnt waren. Da spürte ich Muskeln, von denen ich gar nicht wusste, dass sie existieren. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und nur noch ganz selten Nachwirkungen.

Der Ton auf der Baustelle ist oft rau. Wie kommen Sie damit klar?
Jule: Wenn ich auf der Baustelle bin, stelle ich fest, dass meine männlichen Kollegen sich schon sehr bemühen. Klar herrscht hier ein ganz anderer Ton, als in einem Friseurbetrieb oder in Berufen, in denen mehr Frauen arbeiten. Aber ein bisschen Sprücheklopferei muss man schon aushalten können. Und das kann ich.

Sie arbeiten viel im Freien. Auch bei Kälte, Wind und Nieselregen. Wünschen Sie sich manchmal einen Bürojob?
Jule: Bei strömendem Regen gehen wir normalerweise nach Hause. Aber selbst Nieselregen kann durchaus nerven. Wenn es mal drei Tage durchregnet, kann es schon vorkommen, dass ich mir wünsche, in einem warmen, trockenen Büro zu sitzen. Aber der Gedanke verfliegt schnell. Weil ich weiß, dass ich im Büro nach drei Tagen die Flucht ergreifen würde. Ich brauche die Arbeit auf der Baustelle. Und ich liebe es, an der frischen Luft zu sein.

YouTube

Was ist bei Minusgraden und bei 40 Grad im Hochsommer?
Jule: Im Sommer fangen wir bereits um 7:00 Uhr an und arbeiten bis 16:30 Uhr, um Stunden für die Wintermonate zu sammeln. Von Anfang Dezember bis Ende März arbeiten wir wesentlich weniger. Ich würde mir allerdings wünschen, dass es eine solche Saisonarbeitsregelung über kurz oder lang auch für den Sommer gibt, denn bei Hitzeperioden, wie im letzten Jahr, kommt man trotz Mütze und viel viel Sonnencreme schon manchmal an seine Grenze.

Frauen sind in den Bauberufen immer noch deutlich unterrepräsentiert. Man findet sie eher bei Malern und Elektrikern. Nicht im Betonbau. Warum?
Jule: Viele Frauen wissen nicht genug über diesen Beruf. Sie haben gar nicht auf dem Schirm, dass so ein typischer Männerberuf auch für sie in Frage käme. Außerdem ist immer noch die Meinung verbreitet, dass Frauen für die Arbeit auf der Baustelle körperlich nicht geeignet sind. Natürlich ist die Arbeit manchmal anstrengend, aber es gibt ja heute auch viele Maschinen und Werkzeuge, die einem schwere Tätigkeiten abnehmen.
Ich stelle immer wieder fest, dass es Frauen gibt, die gerne in diese Berufe einsteigen wollen, aber ihr Umfeld rät ihnen ab. Denen sage ich immer: Wenn Ihr diesen Beruf machen wollt, dann lasst Euch von Stereotypen nicht abschrecken. Mit einer normalen sportlichen Kondition kann diese Arbeit wirklich jede Frau machen. Meine Mutter war am Anfang alles andere als begeistert, als ich mich für diesen Beruf entschied. Aber ich habe mich durchgesetzt und gesagt: Ich will das und ich schaffe das auch. Das wusste ich von Anfang an.

Welche Eigenschaften braucht man als Betonbauerin?
Jule: Man muss nicht nur körperlich fit sein, sondern auch Contra geben können, zwischen all den Männern. Und man braucht Biss und Durchhaltevermögen. Wer naturwissenschaftlich interessiert ist, der profitiert natürlich doppelt, denn Mathe und Physik spielen ja beim Bau eine große Rolle. So kann man über den Tellerrand schauen und auch verstehen, was man macht.

Ihre Mutter leitet eine Baufirma in zweiter Generation, Ihre Schwester studiert Baubetrieb. Das Bau-Gen liegt offensichtlich in der Familie. Sehen Sie sich früher oder später im Familienbetrieb?
Jule: Kann gut sein. Aber jetzt möchte jetzt erst mal mein Studium fertigmachen und dann raus auf die Baustelle als Bauleiterin.

Wer ist die coole Frau auf dem Kampagnen-Plakat ganz privat?
Jule: Auf dem Bau muss man sich durchsetzen können und darf nicht zu schüchtern sein. Privat bin ich eher sensibel. Unter der coolen Schale verbirgt sich durchaus ein weicher Kern. Aber ich kann ganz gut trennen zwischen Baustelle und Privatleben.