Neuer Sprit auch für alte Autos

Mit klimaneutralen „reFuels“ vom KIT könnten Verbrenner doch noch in die Zukunft durchstarten

Sind konventionelle Automobile doch kein Auslaufmodell? Ein Projekt des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zeigt, dass es auch mit den bestehenden Verbrenner-Motoren in eine CO2-freie Zukunft gehen könnte. „Wir können bereits eine 25-prozentige CO2-Reduktion ermöglichen“, erklärt Olaf Toedter, Leiter neue Technologien und Zündsysteme. „Am Weg in Richtung 100-prozentiger CO2-Neutralität arbeiten wir.“

Dr. Olaf Toedter, Projektkoordinator der Forschungsinitiative „reFuels – Kraftstoffe neu denken“

Toedter ist Koordinator der Forschungsinitiative „reFuels – Kraftstoffe neu denken“. Damit erkunden die baden-württembergische Landesregierung, das KIT und Industrieunternehmen Alternativen zu fossilen Treibstoffen. Knapp 20 Partner aus der Wirtschaft wie beispielsweise die MiRO Mineraloelraffinerie Oberrhein in Karlsruhe, die Robert Bosch GmbH, der Zulieferer Mahle sowie Daimler, Audi, Rolls-Royce Powersystems und der Energiekonzern EnBW haben sich beteiligt. Die so genannten „reFuels“ werden zum einen mit Hilfe von regenerativer Energie aus CO2 und Wasserstoff hergestellt („E-Fuels“). Dazu gehören aber auch „Advanced Biofuels“ aus biogenen Reststoffen und Kraftstoffe aus Abfällen. Diese regenerativen Treibstoffe unterscheiden sich in ihren Grundeigenschaften nicht von Kerosin, Diesel oder Benzin aus Erdöl. Im Idealfall sind sie aber klimaneutral.

Keine Konkurrenz zur E-Mobilität

Die regenerativen Kraftstoffe sollen keineswegs in Konkurrenz zur aktuell forcierten Elektromobilität treten – sondern in Ergänzung. „Die Lücke beim Klimaschutz lässt sich nicht allein durch den Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel oder E-Mobilität, sondern nur durch ein Paket verschiedener Maßnahmen schließen“, erklärte der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann beim Start der Initiative 2019. Olaf Toedter erläutert dazu: „Sowohl die batterieelektrischen Fahrzeuge als auch die mit reFuels angetriebenen verbrennungsmotorischen Fahrzeuge sind Bausteine zu einer CO2-neutralen Mobilität. Man sollte technologieoffen die jeweilige gesamte Umweltbilanz betrachten und sie jeweils bestmöglich einsetzen.“

Fächerübergreifend haben in den vergangenen zwei Jahren mehr als 20 KIT-Forscher aus sechs Instituten mit technischem Personal an den „reFuels“ gearbeitet, um die Prozesse der bereits bestehenden Forschungsanlagen „bioliq®“ und „Energy Lab 2.0“ zu optimieren. Zudem gibt es beim KIT eine weltweit einzigartige Anlage, die in einem Komplettsystem Umgebungsluft mit Hilfe von grünem Wasserstoff in Benzin, Diesel und Kerosin verwandeln kann. „Komplett“ bedeutet, dass alle Schritte vom „Lufteinsaugen“ bis zum „Ausspucken“ des Kraftstoffs innerhalb dieses einen Systems ablaufen können. Mit zwei verschiedenen Synthese-Verfahren wurden in den KIT-Anlagen mehrere tausend Liter Kraftstoffe gewonnen. Diese testeten die Wissenschaftler sowohl im Einsatz von Diesel- als auch in Otto-Motoren. Das Motoren-Programm reichte von Kleinwagen über Lkw und Spezialfahrzeugen sowie vom Dieselmotor für Schiene und Binnenschifffahrt bis hin zu Motoren für die dezentrale Energieversorgung.

Autos und Tankstellen könnten bleiben

„Unsere Kraftstoffe liegen in ihrer Reinform noch etwas außerhalb der geforderten Normen“, beschreibt der Projektkoordinator. Aber: Sie können bereits in allen modernen Verbrennungsmotoren ohne Probleme eingesetzt werden. „Die reFuels lassen sich heute schon zu fossilen Kraftstoffen in einem Verhältnis von 25 bis 30 Prozent beimischen und problemlos von jedem Fahrzeug tanken.“ Damit ist auch bereits klar, dass die vom KIT auf den Weg gebrachten Sprit-Alternativen erhebliche Vorteile mit sich bringen. Die „reFuels“ machen unabhängiger von fossilen Energieträgern wie dem Erdöl und sie sind kompatibel mit der vorhandenen Infrastruktur. Toedter rechnet vor: Aktuell gibt es in Deutschland 48 Millionen Pkw und 5,5 Millionen Lkw – darunter auch viele Transportfahrzeuge von Handwerksbetrieben. „Selbst wenn wir heute kein einziges Verbrennungs- motorfahrzeug mehr verkaufen würden, hätten wir 2030 immer noch weit über 30 Millionen solcher Fahrzeuge im Einsatz.“ Dank der unter anderem aus Wasserstoff und CO2 synthetisch hergestellten neuen Kraftstoffe könnten Autos, Tankstellen sowie die Verteilstruktur wie Tanklastwagen weiter genutzt werden – und der CO2-Ausstoß des Verkehrs ließe sich dennoch mit Hilfe der Beimischungen bereits um mindestens 25 Prozent senken. „Rein mathematisch sind die Paris-Ziele, wonach eine 55-prozentige CO2-Absenkung im Verkehrsbereich angestrebt wird, ohne reFuels gar nicht machbar“, betont der KIT-Wissenschaftler.

Ob Pkw, Spezialfahrzeuge, Transporter oder Bahnantriebe (vorne rechts im Bild): Die „reFuels“ können in allen modernen Verbrennungsmotoren eingesetzt werden.

Auf dem Weg zur völligen Klimaneutralität der Kraftstoffe sind aller- dings noch einige Herausforderungen zu bewältigen. „Sie wären zwar bezahlbar, allerdings aktuell noch etwas teurer als heutiges Benzin und Diesel“, sagt Toedter. Für die Herstellung sind große Mengen elektrischen Stroms notwendig. Sollen Klimaneutralität und Kosteneffizienz unter einen Hut gebracht werden, können „reFuels“ in den notwendigen Mengen nur dort produziert werden, wo dank erneuerbarer Energien (Sonne, Wind und Wasserkraft) grüner Strom günstig und in rauen Mengen zur Verfügung steht. Länder wie Deutschland müssten sie oder zumindest Zwischenprodukte importieren. „Deutschland kann aber beispielsweise seine Kompetenzen im Anlagenbau weltweit einsetzen“, erklärt Toedter. Zudem fehlt es an Synthese-Anlagen, die in Raffinerien mehrere Millionen Tonnen jährlich von dem CO2-freien Sprit produzieren können.

„Mit MiRo haben wir bereits eine Demonstrationsanlage für 50.000 Tonnen konzipiert“, so Toedter weiter. „Das wäre ein Zwischenschritt.“ Die Initiative „reFuels – Kraftstoffe neu denken“ wird 2021 beendet. Einige Aktivitäten laufen aber weiter. „Sie gehen schon deutlich in Richtung Umsetzung“, sagt Toedter – und fügt hinzu: „Wir rechnen mit signifikanten Mengen an verfügbaren Kraftstoffen noch vor 2030.“

Christoph Ertz

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