Hauchdünne Haut aus Gold

Jetzt glänzt sie wieder majestätisch in der Sonne: Die Kuppel der Stourdza-Kapelle in Baden-Baden. Malermeister Markus Kurz hat sie neu vergoldet

Jetzt bloß nicht husten. Keine schnelle Bewegung. Einmal zu heftig ausgeatmet und der goldene Hauch ist dahin ... nur ein zehntausendstel Millimeter dünn sind die ultrafeinen Blättchen aus Gold, die über Wochen hinweg in akribischer Handarbeit auf die große Kuppel der Stourdza-Kapelle in Baden-Baden aufgetragen wurden. 36.000 mal absolute Konzentration. So viele Blattgoldbogen, von denen einer gerade einmal acht mal acht Zentimeter misst, kamen bei der Vergoldung der Kuppel, die der rumänisch-orthodoxen Kirche neuerdings wieder majestätischen Glanz verleiht, zusammen. Mit einem weichen Rakel wurden die einzelnen Blättchen aus 23,75 Karat Gold millimetergenau, dicht an dicht, auf den vorbehandelten Untergrund der Blechkuppel aufgebracht.

Vergolden ist elementarer Teil der Kirchenmaler-Ausbildung

Wenn Malermeister Markus Kurz im Hof seines Malerbetriebes in Ottersdorf bei Rastatt steht, schaut er über die Dächer des mehr als 1.000 Jahre alten Ortes direkt auf den Kirchturm der katholischen Kirche St. Ägidius. Auf der Turmspitze thront ein goldener Hahn auf einer goldenen Kugel. Die Vergoldung ist einer von vielen Aufträgen, die Kurz in seinem Fünf-Mann-Betrieb schon ausgeführt hat. Denn Kurz ist nicht nur Malermeister, sondern auch Kirchenmalermeister. Ein Beruf mit Seltenheitswert in der Region. Die Gestaltung von Wandflächen, Figuren und Altären gehört ebenso zu seinem Fachgebiet wie die Verarbeitung von Blattmetallen. Vieles, was auf und in badischen Kirchen und Schlössern golden glänzt, stammt aus seiner Werkstatt. Als Kirchenmaler bedient er damit eine interessante Nische. Als man für die Vergoldung der Stourdza-Kapelle einen Fachmann suchte, war dieser mit Markus Kurz schnell gefunden.

Rausgeputzt für die Welterbe-Bewerbung

Die rumänisch-orthodoxe Kapelle stammt von Leo von Klenze (1784-1864), Hofarchitekt von König Ludwig I. von Bayern. Der moldawische Fürst Michael Stourdza ließ das Bauwerk als Grab für seinen mit nur 17 Jahren verstorbenen Sohn 1864 in Baden-Baden erbauen. Im Ersten Weltkrieg wurde das ursprünglich vergoldete Kupferdach der Kapelle jedoch abgebaut und für die Herstellung von Kriegswaffen verwendet. Weil die Kapelle auf dem Michaelsberg eine zentrale Rolle für die Bewerbung der Stadt Baden-Baden um den Welterbe-Titel spielt, hat die Kurstadt, die bereits 1923 die Pflege der Kapelle zugesagt hatte, die Renovierung, die durch Eindringen von Feuchtigkeit dringend notwendig war, veranlasst. Die rund 100.000 Euro teure Vergoldung der Kuppel wurde durch eine private Spendenaktion ermöglicht.

Schon ein kleiner Luftzug ist fatal

Über viele Wochen hinweg rückte Markus Kurz fast täglich mit drei Kollegen an, um insgesamt 182 Quadratmeter verzinktes Stahlblech Zentimeter für Zentimeter in der eingehausten Kuppel – inklusive der Laterne und des Kreuzes mit Zierwerk – zu bearbeiten. „Eine große Herausforderung war die polygonale Form der Kuppel“, erzählt er. „An einige Stellen kam man nur schwer dran. Wir verbrachten ganze Tage im Liegen oder mit dem Kopf im Nacken.“ Nur bei Wind und starkem Regen konnte die Mannschaft nicht daran arbeiten. Bereits ein leichter Luftzug wäre fatal gewesen. Es erfordert viel Fingerspitzengefühl und vor allem eine ruhige Hand, um das federleichte Material zu handeln. Markus Kurz und seine Kollegen müssen jeden Atemzug ganz genau timen. „Außerdem darf es beim Vergolden nicht zu kalt sein“, erklärt der Spezialist, „sonst besteht die Gefahr, dass das Goldanlegemittel nicht richtig durchtrocknen kann. Ideal ist eine Temperatur von 20 Grad.“

Die hauchdünne Goldschicht trotzt extremen Wetterbedingungen

Bevor das Blattgold aufgelegt werden kann, wird der Untergrund gereinigt, mit Epoxidharzlack grundiert und mit einer Hochglanzlackschicht versehen. Danach wird das Klebemittel aufgetragen, auf dem das Blattgold später haftet. Das Auflegen der Goldblätter ist akribische Millimeterarbeit. Die hauchdünnen Goldblätter sind auf einem Transferpapier aufgebracht. Mit zwei Fingern fasst man das Seidenpapier, legt es mit seiner Goldseite Kante an Kante auf die präparierte Fläche und drückt das Gold mit einer befilzten Rakel an, bis es auf der leicht klebrigen Fläche haftet. Dann zieht man das Papier vorsichtig ab. Zum Schluss wird die Fläche mit weichen Tüchern und Watte geglättet und so auf Hochglanz poliert, als hätte man einen hauchfeinen Überzug aus Gold über die Kuppel „gegossen“. Keine Falte, kein Bläschen, keine Naht mehr zu sehen. Be- merkenswert ist die Langlebigkeit der dünnen Goldschicht. „Keine andere Oberfläche besitzt eine derartige Haltbarkeit“, betont Kurz. „Selbst bei starker Sonneneinstrahlung, bei Frost oder starkem Regen behält die Oberfläche ihren Glanz. Ein zusätzlicher Schutzlack ist deshalb nicht mehr nötig.“ Das Gold stammt von einer Goldschlägerei aus Schwabach bei Nürnberg – bis vor 100 Jahren eine Hochburg der Blattgoldherstellung. 1930 gab es hier noch rund 120 Blattgoldschlägereien. Heute sind es nicht mal mehr eine Handvoll Betriebe. Doch diese sind sehr gefragt und bedienen mittlerweile einen weltweiten Markt.

Ariane Lindemann

kurz-maler.de