Brennende Lust am Experiment

Handwerk und Kunst: Herbert Wenzel ist Töpfer aus Leidenschaft

„Ich brenne für meinen Beruf.“ Damit ist für Herbert Wenzel eigentlich alles gesagt. Für ihn ist die Welt – zumindest in seiner Werkstatt – eine Scheibe, sein wichtigster Arbeitspartner ein antiquierter Brennofen, ohne den er wohl kaum die technische Perfektion seiner künstlerischen Arbeiten erreicht hätte. Seit einem Betriebsunfall vor einigen Jahren leidet das gute Stück zwar („die ganz hohen Temperaturen um 1.300 Grad gehen nicht mehr“), doch trennen würde sich der experimentierfreudige Töpfer aus Leidenschaft nie von diesem Mittelpunkt seiner Werkstatt in einem malerischen Anwesen in Oberderdingen.

„Der ist ja wohl nicht ganz sauber ...“, diese Einschätzung hat der gebürtige Oberpfälzer (Jahrgang 1949) eigentlich von frühster Jugend an gespürt. Im Kunstunterricht der Oberschule stieß er auf den Stoff, aus dem sich bald seine Träume entwickelten – Ton, der auf der Töpferscheibe nach unendlich vielen Fehlversuchen die gewünschte Form annahm. Nur der Kunsterzieher unterstützte seinen Berufswunsch, nach der Mittleren Reife das Töpferhandwerk zu erlernen. Auf Wunsch der Eltern ließ sich der geschickte Tüftler auf ein Maschinenbau-Ingenieur-Studium ein.
Als der Wehrdienst drohte, meldete er sich beim Deutschen Entwicklungsdienst und hoffte auf einen Einsatz in Lateinamerika mit viel praktischer Arbeit. Stattdessen landete er in Tansania und lehrte an einem Technik-College den Stoff, den er gerade erst selbst gelernt hatte – noch dazu auf Englisch. „Es hat Spaß gemacht, die Jungs waren unheimlich motiviert“, schwärmt er. In Tansania lernte er auch seine spätere Frau, eine Lehrerin, kennen. Die „Hochzeitsreise“ war ein dreimonatiger Auto-Trip zurück nach Deutschland – Abenteuer pur.

Zum Meistertitel durchgebissen
Zurück in Deutschland hatte der junge Familienvater bald eine weitere Überraschung parat: Bei seinen Bewerbungsgesprächen eckte der Querdenker immer wieder an und merkte bald, dass er in einer klassischen Firma fehl am Platz sein würde. Sein Platz war an der Töpferscheibe – entgegen aller Regeln. Die erste Werkstatt war eigentlich illegal, und auch die Bewerbung um die Zulassung zur Gesellenprüfung bei der Handwerkskammer als Externer wurde mit viel Skepsis aufgenommen. Dass er als Zweitbester die Prüfung bestanden hatte, änderte nichts an der Ablehnung, ihn in Baden-Württemberg zur Meisterprüfung zuzulassen. Aber: „Ich wusste, was ich will“ – und zwar den eigenen Meisterbetrieb. In Höhr-Grenzhausen, dem „Mekka“ der Keramiker, belegte Wenzel den dreijährigen Meisterkurs, den er 1983 mit Auszeichnung beendete. Dass er anschließend von der Handwerkskammer Karlsruhe einen mit immerhin 5.000 Mark dotierten Preis erhielt, tat besonders gut – saßen doch beim Festakt genau diejenigen Herrschaften im Publikum, die ihn in den Vorjahren abgestraft hatten. Von nun an gab es „kein Halten mehr“, erinnert sich Wenzel. Mit seiner klaren Formensprache, seinen außergewöhnlichen Glasuren und dem kompromißlosen Streben nach höchster Qualität – Keramik auf Porzellanniveau – gelang der Spagat zwischen Handwerk und Kunst. Ob Geschirr, Gebrauchskeramik oder Skulptur – bei seinen Ausstellungen gingen die Arbeiten meistens weg wie die buchstäblichen warmen Brötchen, und der Staatspreis Baden-Württemberg war 1990 eigentlich schon fast selbstverständlich.

Über 20 Lehrlinge hat Herbert Wenzel in seiner Werkstatt ausgebildet und mit großem Engagement so manchen Gesellen zur Meisterprüfung begleitet – mit umso größerer Sorge betrachtet er die aktuelle Nachwuchslage. Keramik – vor allem hochkarätige Keramik, keine Massenware – hat in der Kundengunst in den vergangenen Jahren an Terrain verloren, und so gibt es auch nur noch wenige Betriebe oder Ateliers in der Region, die noch auf dem Niveau ausbilden, von dem er nicht abweichen will.
Die Lust am Experimentieren mit dem Stoff, der seinen Lebenstraum ermöglichte, ist keineswegs erloschen. Ruhestand? Von seinen großen Reisen nach Südamerika, Neuseeland und Island kehrt er mit immer neuen Ideen zurück. „Ich kann und will nicht aufhören, dazu macht es zuviel Spaß!“

Irene Schröder

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