Auf die Bedürfnisse des Handwerks eingehen

Gespräch mit der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut über die Folgen der Pandemie und Digitalisierung für das Handwerk

Die Pandemie scheint überwunden, gibt es auch positive Effekte, wie kann die Wirtschaft gestärkt aus der Krise hervorgehen?
Nicole Hoffmeister-Kraut: Was noch nicht überwunden ist, sind die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Das Wachstum 2021 wird den wirtschaftlichen Einbruch von 2020 nicht wettmachen können. Um langfristig gestärkt aus der Krise hervorgehen zu können, ist es wichtig, dass wir den enormen Digitalisierungsschub, den die Pandemie mit sich gebracht hat, nutzen und fortsetzen. Auch sonst bleiben die strukturellen Herausforderungen, die schon vor Corona bestanden, weiter aktuell: Die ökologische Umgestaltung der Wirtschaft, mit der wir unsere ehrgeizigen Klimaziele erreichen wollen, kann nur mit dem Markt, nicht gegen den Markt, gelingen.

Gerade im Handwerk spielt ja die Digitalisierung eine große Rolle, wie kann das Wirtschaftsministerium diesen Umstellungsprozess noch besser unterstützen?
Hoffmeister-Kraut: Die Digitalisierung ist ein wesentliches Zukunftsthema in unserem gemeinsamen Strategieprojekt „Zukunftsinitiative Handwerk 2025”. Wir bieten hier Unterstützung bei der digitalen Transformation der Betriebe. Viele Betriebe nutzen bereits die Möglichkeiten zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Zusammenarbeit. Alltägliche Arbeitsprozesse sind im Handwerk weitestgehend digitalisiert. Auch das Thema Plattformökonomie hat eine zunehmende Bedeutung im Handwerk. Hersteller, Start-ups und Digitalkonzerne dringen durch den Aufbau von Plattformen und die Schaffung umfassender digitaler Ökosysteme immer stärker in die Domäne des Handwerks vor und machen diesem zunehmend Wertschöpfungsanteile streitig. Für das Handwerk sind digitale Plattformen und ein intelligentes Datenhandling zunehmend von Bedeutung.

Wie erfolgreich ist das Projekt bisher, das Jahr 2025 rückt ja näher?
Hoffmeister-Kraut: Mit dem Projekt wurde seit 2017 ein erfolgreicher Veränderungsprozess angestoßen. Dazu haben wir vielfältige Maßnahmen entwickelt, die von den Betrieben sehr gut nachgefragt und von den Handwerksorganisationen in die Fläche getragen werden. Allein im letzten Jahr haben über 2.400 Betriebe Beratungen oder weitere Angebote der Personalberatungen der Zukunftsinitiative in Anspruch genommen, insbesondere zu Fragestellungen des Personalmarketings. Darüber hinaus wurden mehrere Modellprojekte zum Thema neue Service- und Geschäftsmodelle, Plattformen und Kooperationen, interaktive Lernkonzepte sowie zum Stand der Digitalisierung im Handwerk initiiert und erste Ergebnisse für den Transfer ins Handwerk aufbereitet. Es werden zum Beispiel Digitalisierungswerkstätten zur digitalen Abwicklung von Bauvorhaben und der Nutzung von Künstlicher Intelligenz im Bäckerhandwerk gestartet. Wir werden die Handlungsfelder Personal, Strategie und Digitalisierung noch zielgerichteter auf die Bedürfnisse der Handwerksunternehmen ausrichten.

Sie sind für weitere fünf Jahre Wirtschaftsministerin, worauf müssen Sie sich nun konzentrieren? Also was ist in den vergangenen fünf Jahren geglückt und was eher nicht?
Hoffmeister-Kraut: Wir müssen in den kommenden fünf Jahren die großen Zukunftsfragen noch entschlossener anpacken. Vieles haben wir hier in der letzten Legislaturperiode bereits angestoßen. Aber die Corona-Krise wirkt auf den Strukturwandel unserer Wirtschaft wie ein Brandbeschleuniger. Das Tempo der digitalen, automobilen und ökologischen Transformationsprozesse hat sich noch einmal erheblich erhöht. Wenn Baden-Württemberg zum Beispiel als Klimaschutzland international Maßstäbe setzen soll, dann wird uns das nur gelingen, wenn wir dafür konsequent auf Innovation setzen. Unsere Wirtschaft braucht Anreize und technologieoffene Rahmenbedingungen, die die Marktkräfte entfesseln und einen Innovationswettbewerb um die besten Lösungen in Gang setzen. Diese Rahmenbedingungen für zukunftsweisende Innovationen in Industrie, Handel und Handwerk werden in den kommenden Jahren ein Schwerpunkt meiner Arbeit sein.

Sie stammen selbst aus einer Unternehmerfamilie, haben Sie sich vor Ihrem Engagement in der Politik nicht oft über die ausufernde Bürokratie geärgert? Besser geworden scheint es ja nicht zu sein, oder wie ist Ihr Eindruck? Wie können Sie gegensteuern?
Hoffmeister-Kraut: Die Landesregierung hat dem Bürokratieabbau bereits in der vergangenen Legislaturperiode durch die Einführung eines Normenkontrollrats im Land sowie der Erarbeitung eines Arbeitsprogramms der Landesregierung mit über 50 Maßnahmen mehr Gewicht gegeben. Das war aus meiner Sicht auch dringend nötig. Wir wollen diesen eingeschlagenen Weg bei Bürokratievermeidung und -abbau zur Entlastung von Unternehmen weitergehen. Dabei wollen wir insbesondere die Möglichkeiten der Digitalisierung noch stärker nutzen, um Verwaltungsverfahren so einfach wie möglich zu gestalten. Allerdings sind die meisten bürokratischen Belastungen nicht auf Entscheidungen des Landes zurückzuführen. Bürokratie hat ihren Ursprung häufig im Bundes- und Europarecht. Wir sollten uns deshalb weiterhin und noch intensiver auf beiden Ebenen dafür einsetzen, dass Hürden – insbesondere für unsere mittelständische Wirtschaft – wirksam und zügig abgebaut werden.

Das Gespräch führte Horst Koppelstätter