Hoch hinauf

Marisa Braig ist Jahrgangsbeste bei der Dachdeckermeisterprüfung in Karlsruhe

REPORT traf die erfolgreiche Meisterin, die in der Bildungsakademie der Handwerkskammer Karlsruhe ihre Meistervorbereitung durch- führte.

Sie sind eine erfolgreiche Reiterin, wie haben Sie Spitzensport und die Ausbildung zur Dachdeckermeisterin unter einen Hut gebracht?

Marisa Braig:  Da wir für die Ausbildung zum Dachdecker in ganz Baden-Württemberg nur die Berufsschule Dachdecker an der Heinrich-Hübsch-Schule Karlsruhe haben, war klar, ich werde nach Karlsruhe gehen. Da ich mich dort sehr gut mit allen Lehrern verstanden habe, und es dennoch nicht allzu weit zu meiner Familie nach Hause war, ist die Entscheidung leicht gefallen. Zu dieser Zeit war ich sportlich als Reiterin noch sehr ambitioniert. Ich hatte meine Pferde dabei, die in einem Stall 30 Kilometer entfernt eingestallt waren.

Aber weshalb gerade Dachdeckerin?

Braig: Was mir am Beruf Dachdecker so gefällt? Da mein Vater für mich immer schon mein absoluter „Hero“ war, war für mich, glaube ich, mit drei Jahren das erste Mal klar, ich werde Dachdecker. Dazwischen hat sich dies noch einige Male geändert, aber am Ende wollte ich es dennoch versuchen. Meine Eltern haben mir diese Entscheidung komplett offen gelassen und so habe ich mich auch komplett selbst dazu entschlossen, diesen Weg zu gehen, und ich bereue es bisher keinen Tag. Mir macht es natürlich sehr viel Spaß, weil ich in unserem Familienunternehmen mitarbeiten kann, wir uns alle sehr gut verstehen, eine super Mannschaft sowohl im Büro als auch draußen auf der Baustelle haben und ich sehr viel lernen kann, aber auch, weil der Mix zwischen Schreibtisch und Baustelle genau das Richtige für mich ist. Da ich zusätzlich auch immer schon wusste, dass mein Bruder ebenfalls mit mir die Firma übernehmen möchte, war mir wichtig, das Know-how rund ums Dach zu bekommen, aber nicht primär auf der Baustelle zu arbeiten. Mein Bruder liebt dies hingegen und möchte zumindest in nächster Zeit auf jeden Fall mit seinen Jungs draußen bleiben, während ich Kundentermine, Baustellenbesichtigungen, Angebote und Rechnungen übernehme.

Ist es nicht manchmal unangenehm und vielleicht auch gefährlich?

Braig: Als Dachdecker muss man ganz klar frische Luft lieben, man darf keine Höhenangst haben und sollte gerne selbstständig arbeiten wollen. Natürlich ist der Beruf Dachdecker nach wie vor noch das moderne Fitnessstudio. Bei schlechtem Wetter wie Regen oder Schnee können wir meist nicht arbeiten. Hier gibt es dann so genanntes Schlechtwetter, was zum einen oder anderen Tag mehr Urlaub führt.

Was muss ein junger Mensch wissen, wenn er oder sie gerne Dachdecker werden will?

Braig: Im Großen und Ganzen ist es schwierig, junge Leute für das Handwerk begeistern zu können. Leider verbinden es noch zu viele mit dreckiger und anstrengender Arbeit. Dennoch kann ich nur für uns sprechen und wir sind glücklich, auch dieses Jahr wieder drei Lehrlinge ausbilden zu dürfen. Wir haben einen guten Mix zwischen Jung und Alt in unserem Betrieb, was ermöglicht, die Lehrlinge gut auszubilden, ihnen viel Wissen durch die Ausbildung hinweg zu vermitteln, aber dennoch Spaß und Freude bei der Arbeit zu haben. Da auch wir uns auf dem Bau ständig weiter entwickeln, ist die Arbeit daher auch nicht mehr ganz so anstrengend und schmutzig, wie sie dies früher war. Heutzutage haben wir sämtliche Maschinen, die uns bei den schweren Arbeiten unterstützen, sei es Kräne, Abrissmaschinen, Schweißautomaten und so weiter. Aus diesem Grund denke ich, dass auch Mädchen diesen Beruf sehr gut ausführen können. Nach wie vor sind wir nicht sehr viele Mädels, aber dennoch schon einige, im Gegensatz zu früher. So kommt immerhin etwas frischer Wind auf die Baustellen.

Was ist die Faszination des Pferdesports für Sie? Was haben Sie als sehr erfolgreiche deutsche Reiterin bereits erreicht?

Braig: Ja, der Pferdesport hat mich schon sehr früh begeistert. Seit ich neun Jahre alt war, habe ich eigentlich so gut wie jeden Tag drei bis vier Stunden trainiert. Einen Sport gemeinsam mit einem Tier auszuüben, macht sehr viel Spaß. Man hat kein Sportgerät unter sich, welches jeden Tag zu 100 Prozent funktioniert. Genauso wie bei uns Menschen, gibt es manchmal gute und schlechte Tage. Eine gute Vorbereitung und dauerndes Lernen und Üben machen einen dann immer besser. So konnte ich dann mit viel Biss und Willensstärke, etwas Glück und tollen Pferden in jungen Jahren Europameister in der Ponyvielseitigkeit, sowohl mit der Mannschaft als auch ein Jahr später im Einzel, werden.

Wo wollen Sie sportlich noch hin?

Braig: Im Laufe der Zeit bin ich dann zum Springsport gewechselt und konnte hier noch Titel bei den Baden-Württembergischen Meisterschaften, Deutschen Meisterschaften sowie bei vielen internationalen Turnieren wie zum Beispiel beim CHIO Aachen oder Saut Hermes in Frankreich holen. Ja, die Zeit war sehr schön, und es hat sehr viel Spaß gemacht, dennoch ist beides, Arbeit und Hobby, schwer miteinander zu vereinen. Bei meiner Ausbildung zum Dachdeckermeister habe ich meine zwei besten Pferde mit nach Karlsruhe genommen, um weiterhin trainieren zu können, aber schon hier war es eine ziemliche Doppelbelastung.

Sie betreiben eine eigene Reitschule und wollen den elterlichen Dachdeckerbetrieb übernehmen, lässt sich das verbinden?

Braig: Nach meinem Meister habe ich meinen Reiterhof dann komplett abgegeben. Jetzt habe ich nur noch zwei junge, sehr talentierte Pferde, die ich jetzt, wie es zeitlich machbar ist, ausbilde und für den großen Sport vorbereite. Die Unterstützung in junge Talente habe ich nicht aufgegeben, da es mir sehr viel Spaß macht, mit jungen Menschen zu arbeiten und zu sehen, wie sie sich jeden Tag verbessern, aus Fehlern Positives ziehen und am Ende tolle Leistungen bringen können. Ich habe für mich persönlich entschieden, nun den Betrieb meiner Eltern zu übernehmen und meine Reiterkarriere etwas zurückzustellen. Dennoch ist es für mich wichtig, einen Ausgleich zum Arbeitsalltag zu haben, und ein guter Mix ist entscheidend, dass beides erfolgreich funktionieren kann.

Das Gespräch führte Horst Koppelstätter