Erstes Holzhaus in Pforzheim

Gespräch mit dem Architekten Peter W. Schmidt über Holz als nachhaltigen Werkstoff, Ästetik und die Hybridbauweise

Holz gilt als großartiger und besonders nachhaltiger Werkstoff. Holz ist eines der ältesten Baumaterialien – mit den Möglichkeiten modernster Fertigungstechnologien können ganz neuartige Konstruktionen entstehen. In Pforzheim soll nun eines der ersten Holz-Hochhäuser in Deutschland gebaut werden. „Carl“ lautet der Projektname. Bauherr ist die Baugenossenschaft Arlinger und Architekt ist Peter W. Schmidt. Das Gebäude ist als Holz-Hybrid-Haus konzipiert. Das bedeutet: Nicht alles wird aus Holz gebaut. Dort, wo es vor allem aus brandschutztechnischen Gründen notwendig ist, bleibt man bei Stahlbeton. Im Sinne eines durchgängigen Projekts wird man dem Hochhaus auch von außen sein „hölzernes Wesen“ ansehen. Es geht aber weniger um die Fassade, als um die tragende Konstruktion. Hier wird vor allem heimisches Holz verbaut. Und im Inneren gibt es reichlich Holz zu sehen, zu spüren und zu erleben.

Wie viele andere Städte ringt auch Pforzheim mit dem drängenden Bedarf an Wohnraum und Kindertagesstätten. Bauplätze sind knapp. Wo es bebaubare Flächen gibt, müssen diese so effizient wie möglich genutzt werden. „Carl”, samt der benachbarten, zum Ensemble gehörenden Baukörper, wird dank seiner Ästhetik überzeugen, den Stadteingang als Landmarke kennzeichnen und 73 Wohnungen mit insgesamt über 5.300 Quadratmeter an qualitativ hochwertigen Wohnraum bieten.

Eine Kindertagesstätte für rund 100 Kinder wird sich im sechsgeschossigen Gebäude neben „Carl” befinden und über eine großzügige Gartenfläche verfügen. Es ist ein regionales Exempel: Die wirtschaftliche Geschichte der Region ist eng verknüpft mit der Holzgewinnung im Schwarzwald. Erstaunlich, dass der Holzbau in unserer Zeit bislang hier keine nennenswerte Rolle spielte.

Die Baugenossenschaft Arlinger zeigt nun Pioniergeist und kombiniert ökologische Erfordernisse mit der regionalen Holz-Affinität. „Carl” wird neben dem Nachhaltigkeitsaspekt auch die ästhetischen Qualitäten des Holzes zur Geltung bringen.

REPORT sprach mit dem Pforzheimer Architekten Peter W. Schmidt.

Peter W. Schmidt,

Architekt BDA, ist ein Schüler des britischen Pritzker- Preisträgers James Stirling, dessen Meisterklasse er an der Kunstakademie Düsseldorf 1986 bis 1989 absolviert hat. Stirlings bekannteste Schöpfung in Deutschland ist die Neue Staatsgalerie in Stuttgart, ein Meisterwerk der Postmoderne. 1984 bis 1987 war Peter W. Schmidt als Mitarbeiter im Büro von O. M. Ungers in Köln tätig.
Seit 1989 ist er freier Architekt in Pforzheim.
Schmidt erhielt seine erste Hugo-Häring-Auszeichnung 1999 für das Geschäftshaus „Karlsruher Straße“ in Pforzheim. Seitdem hat er von unterschiedlichen Fachverbänden auf nationaler und internationaler Ebene eine beachtliche Reihe an Architekturpreisen und Auszeichnungen erhalten. Mit Büros in Berlin und Buenos Aires baute er sein Unternehmen international aus. Peter W. Schmidt hatte unter anderem Lehrstühle bei Günther Uhlig und Arno Lederer an der Universität Karlsruhe inne.

Was ist die Faszination an Holz als Baumaterial?

Peter W. Schmidt: Holz als nachhaltiges Baumaterial ist ein wesentlicher Beitrag in puncto CO2-Neutralität, die vom Staat und der Gesellschaft angestrebt wird. Holz entzieht durch sein Wachstum der Atmosphäre CO2, indem Kohlenstoff benötigt wird und Sauerstoff in die Atmosphäre freigesetzt wird. Somit lässt sich sagen, dass Holz im übertragenen Sinne CO2 bindet. Ein Faszinosum mit Holz ist die Art der Verarbeitung. Mit einem hohen Grad an Vorfabrikation werden Elemente aus Holz – Decken, tragende und nichttragende Wände bis hin zu Modulen im Werk vorproduziert und auf die Baustelle geliefert. Das führt zu einer wesentlich kürzeren Bauzeit, zu einer deutlich geringeren Beeinträchtigung der Umgebung und zu einem effizienteren Bauablauf. Wenn man sich im reinen Holzbau bewegt, ist eine eher „trockene Bauweise“ angesagt. Üblicherweise sind nur Fundamentierung, Keller- und Tiefgeschosse sowie die Treppenhauskerne aus Stahlbeton. Man spricht dann von einer Hybridbauweise.

Welche Hölzer sollen verwendet werden und woher kommen diese?

Schmidt: Zum Einsatz kommen heimische Hölzer wie Fichte und Baubuche, ein Material, das sehr große Kräfte aufnehmen kann und bei den Konstruktionen ein wesentlicher Bestandteil ist. Im Innenausbau wird häufig die Weißtanne eingesetzt, die sich für Möbel ebenso eignet wie für Wand- und Deckenbekleidungen, die unbehandelt belassen werden. Die Herkunft der Hölzer ist Mitteleuropa.


Welche Rolle spielen im Gesamtprojekt „Carl“ Nachhaltigkeit und welche Ästhetik?

Schmidt: Per se ist ein konstruktiv schlüssiger und ästhetisch ansprechender Entwurf der Maßstab für den Gesamteindruck eines Gebäudes. Die Nachhaltigkeit ist kein Ausschlusskriterium für die Ästhetik, sondern im Gegenteil. Im Zusammenspiel von Ästhetik und Nachhaltigkeit, die über den bereits beschriebenen Einsatz des Bau- materials Holz erreicht wird, kommt man zu einem beachtenswerten und ästhetisch ansprechenden Ergebnis. Holz einzusetzen ohne über Konstruktion, die modulare Ordnung und die Sinnfälligkeit des Einsatzes nachzudenken, führt zu beliebigen, austauschbaren Lösungen.

Warum gibt es bisher eher selten Hochhäuser, die überwiegend aus Holz gebaut sind?

Schmidt: Großvolumige Holzbauten wie unser Projekt „Carl“ stellen gewaltige Ansprüche an die Konstruktion, den Schallschutz und den Brandschutz. Alles Themen, die sich in der Holzbauweise, vor allem in der mehrgeschossigen bis hin zum Holzhochhaus, bisher schwer greifen lassen. Die entsprechenden Gesetzgebungen und Regelungen sind (noch) nicht gegeben und oft werden Einzelfallprüfungen erforderlich. Der Aufwand hierfür ist enorm, zumal von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Regelungen herrschen und verständlicherweise dem Brandschutz ein großes Gewicht beigemessen wird. In der Praxis ist bei Hochhäusern die konventionelle Bauweise bevorzugt. Hatte man früher Stahlkonstruktionen gebaut (World Trade Center), so ist man heute auf Stahlbetonkonstruktionen fixiert, die einen Großteil der Ansprüche des zum Einsatz kommenden Materials (Beton) bereits erfüllen. Generell lässt sich sagen, dass man mit dem Holzhochhaus technisches Neuland betritt, das erst durch den Nachhaltigkeitsaspekt in den Vordergrund gerückt ist.

Wie kann man sich das vorstellen: Wird Holz auch für tragende Konstruktionen verwendet? Wie hoch wird ungefähr der Holzanteil am Gesamtgebäude sein?

Schmidt: Es ist eine Holzhybridkonstruktion und es werden tragende Holzbauelemente verwendet. Das Treppenhaus ist aus Stahlbeton, das hat Gründe, die überwiegend im Brandschutz liegen, zudem wird es zur Aussteifung herangezogen. Die Brettsperrholzdecken werden geschossweise am Treppenkern aufgelegt und spannen bis zu den Außenwänden, wo mit Stützen aus Baubuche die Lasten über 14 Geschosse abgetragen werden. Es werden rund 2.000 Kubikmeter Holz verbaut, anstelle von Beton.


Wie ist es mit der Haltbarkeit und Pflege der Holzelemente?

Schmidt: Mittlerweile hat man für die Elemente, die in der Fassade Verwendung finden, den Prozess der Vorvergrauung eingeführt, das heißt, dass die Elemente vorbehandelt sind. Eine Pflege ist über das normale Maß hinaus nicht notwendig. Die holzbekleideten Innenräume bedürfen keiner besonderen Pflege, sind allerdings im Mietwohnungsbau eine Herausforderung.

Ist Bauen mit Holz deutlich teurer?

Schmidt: Bei dem Projekt schätzen wir den Mehraufwand mit acht bis zwölf Prozent der Nettobaukosten.

Erwarten Sie sich „Nachahmer“ beziehungsweise künftig wesentlich mehr Hochhäuser auch in Holzbauweise?

Schmidt: „Nachahmer“ wird es immer geben. Generell sind wir davon überzeugt, dass der Anteil der Holzhochhäuser im Bereich der Wohnhochhäuser ansteigen wird. Im Fokus der Klimadiskussion stellt es einen wichtigen Beitrag dar, um die Begrenzungen herbeizuführen.

Was kann der private Häuslebauer vom Projekt „Carl“ übertragen?

Schmidt: Das Projekt „Carl“ ist ein großvolumiger Holzbau, den man nicht im Vergleich zum privaten Hausbau sehen sollte. Allein der Einsatz von Holz als konstruktivem Element und zur Fassadenbekleidung könnte private Bauherren dazu anregen, in Holz zu bauen und die Holzästhetik zu zeigen, so wie wir es vorgesehen haben.

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Das Gespräch führte Horst Koppelstätter