Auf dem Weg zur „schlauen Stadt“

„Smart City“: Wie die Digitalisierung Karlsruhe und Bruchsal verändert

Feierabend, doch statt in den eigenen Wagen steigt man in das gerade vorgefahrene Fahrzeug seines Carsharing-Anbieters. Der autonom fahrende Wagen bringt einen entspannt nach Hause, während man vom Rücksitz aus per App bereits das Badewasser passgenau einlaufen lassen kann. Man weiß genau, wann man zu Hause ankommen wird – denn Staus gehören einem fast schon vergessenen Zeitalter an. Leitsysteme balancieren den Verkehr in Echtzeit optimal aus.

Es kursieren viele Vorstellungen, wie das Leben in der Stadt der Zukunft aussehen wird – vor allem soll dieses Leben „smart“ sein. Der Begriff „Smart City“ ist zwar nicht eindeutig definiert, aber es geht darum, mit digitalen Technologien die Bereiche Energie, Mobilität, Stadtplanung, Verwaltung und Kommunikation so miteinander zu vernetzen, dass sich die Lebensqualität für die Bewohner steigert. „Smart Cities“ sollen auch die vielfältigen Herausforderungen bewältigen helfen, die sich daraus ergeben, dass bis 2050 zwei Drittel aller Menschen in Städten leben werden. Soweit die Visionen – doch wie sieht es mit der Gegenwart aus?

Karlsruhe ist zumindest schon auf dem Weg zur „schlauen Stadt“. Das hat die Fächerstadt sogar schwarz auf weiß. Demnach zählt Karlsruhe zu den „smartesten“ Städten in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt der „Smart City“-Index des Digitalverbands Bitkom. Dieser weist Hamburg als Spitzenreiter aus, doch direkt dahinter folgt schon die nordbadische Metropole. Insbesondere konnte sie dabei mit der Multifunktions-App „digital@KA“ punkten, die noch in der Entwicklung ist. Auf dieser Plattform sollen städtische sowieweitere Dienste gebündelt und somit ihre Nutzung für die Bürger vereinfacht werden. Nach einer einmaligen Registrierung erhalten die Bürger über die App nicht nur Zugriff auf allerlei Dienste der Stadtverwaltung, sondern können auch Tickets für den Nahverkehr oder Kultureinrichtungen kaufen.

Die Karlsruher Stadtwerke bauen zudem eine flächendeckende digitale Infrastruktur auf Basis der Funktechnik „LoRaWAN“ (Long Range Wide Area Network) auf. Die international normierte Technik übermittelt Daten drahtlos mit sehr großer Reichweite bei geringem Energieverbrauch. Mit ihrer Hilfe sollen tausende Sensoren in der Stadt verwaltet und aufeinander abgestimmt werden, so dass beispielsweise Verkehrsstaus und Abgase reduziert sowie Wasser und Strom bedarfsgerechter gesteuert werden können. Bereits in Betrieb sind Abfallbehälter, die ihren Füllstand per Sensorik übermitteln und gezielter zur Entleerung angesteuert werden.

Karlsruhe als innovatives Reallabor

Seit 2018 werden außerdem in Karlsruhe mit dem „Testfeld Autonomes Fahren Baden-Württemberg“ unter realen Bedingungen neue Mobilitätskonzepte erprobt. Weitere „Smart City“-Projekte befassen sich unter anderem mit der Weiterentwicklung des Karlsruher Verkehrsverbunds (KVV) zu einem Mobilitätsverbund, der neben Bahn und Bus auch Leihfahrrad oder Carsharing beinhaltet. Bereits eröffnet ist ein „Digitales Bürgerbüro“, in dem die Bürger mehrere Behördengänge virtuell erledigen können, ohne dass städtische Mitarbeiter vor Ort sind. Außerdem zählt die „Lernfabrik 4.0 Karlsruhe“ zu den Smart-City-Initiativen. In dem Kooperationsprojekt zweier Karlsruher Berufsschulen erhalten Fach- und Nachwuchskräfte aus dem Handwerk in einem Grundlagenlabor sowie in einem Demonstrationszentrum Möglichkeiten, sich mit Themen der Industrie 4.0 auseinanderzusetzen.

„Unsere Vision für die Smart City Karlsruhe ist es, unsere Stadt in ein smartes, vernetztes und innovatives Reallabor zu verwandeln, das die Stadtgesellschaft gemeinsam gestaltet“, erklärt die Erste Bürgermeisterin Gabriele Luczak-Schwarz. „Moderne Technologien dienen als Basis für mehr Lebensqualität, Nachhaltigkeit und Teilhabe. Höchste Sicherheitsstandards sind dabei selbstverständlich. Karlsruhe soll somit zum nationalen Vorreiter für partizipative Stadtentwicklung werden.“

Dabei arbeiten je nach Projekt verschiedene Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Kultur zusammen. Zu den Hauptakteuren zählen neben städtischen Stellen unter anderem die Stadtwerke, das FZI Forschungszentrum Informatik, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK). Auch die Handwerkskammer bringt sich etwa bei einem Pilotprojekt zur Digitalisierung des Handwerks ein. Angetrieben wird die Entwicklung zudem wesentlich von der aus 20 Akteuren wie dem CyberForum und dem Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) bestehenden Initiative „karlsruhe.digital“ zur Förderung der Digitalisierung. Die Initiative, in der insgesamt rund 150 Experten mitarbeiten, hat eigens einen Arbeitskreis „Smart City“ eingerichtet.

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Chancen für das Handwerk

Als IT-Hochburg mit dem bundesweit zweithöchsten Anteil von Gründungen im Hightech-Sektor sieht sich Karlsruhe gut gerüstet für den Weg zur „Smart City“. Deren Entwicklung und Erfolg hänge aber auch entscheidend vom Handwerk und seiner Integration ab, heißt es bei der Initiative „karlsruhe.digital“, die zudem sich bietende Chancen aus der Entwicklung betont. Demnach könnte beispielsweise das Bau- und Ausbaugewerbe von neu entstehenden Hightech-Assistenz-, Sicherheits- und Versorgungssystemen profitieren. Ebenso werden unter anderen noch für Augenoptiker, Hörgeräteakustiker oder Zahntechniker neue Möglichkeiten für die Weiterentwicklung ihrer Angebote gesehen.

Auch in zahlreichen kleinen und mittelgroßen Städten ist „Smart City“ schon ein Thema. Das zeigt das Beispiel Bruchsal. Dort gibt es bereits einzelne Projekte wie Sensoren zur Feuchtigkeitsmessung im Stadtarchiv. Zudem beteiligt sich Bruchsal am Kommunalverbund „re@di – regional.digital“. Darin arbeiten insgesamt zehn badische Städte – darunter unter anderem noch Rastatt und Baden-Baden – gemeinsam daran, die kommunale Digitalisierung voranzubringen. „Wir stehen aber noch am Anfang“, erklärt Pressesprecherin Ina Rau. Im Sommer hat die Stadt jedoch eine Digitalisierungsbeauftragte eingestellt. „Auch bei diesem Thema ist die personelle Ausstattung und Verortung sehr wichtig“, betont Rau. Dies sei daher ein deutliches Zeichen, um „Smart City“ auch in Bruchsal weiter voranzubringen.

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Christoph Ertz