Wie eine Trasse zur Unendlichkeit

Die Kombilösung Karlsruhe

Die Kombilösung verändert Karlsruhe von Grund auf – doch wie steht es um die Baustellen? Das Ende der Arbeiten kommt in Sicht, zeigt der Rundgang durch den künftigen Stadtbahntunnel und die Verkehrsader Kriegsstraße.

Wo ist das Ende? Tatsächlich schon in einigen hundert Metern am Mühlburger Tor? Oder doch erst in Paris?

Unter dem Marktplatz, im künftigen Karlsruher Stadtbahntunnel, scheint die Optik anderen Regeln zu gehorchen. Unter der Fußgängerzone in der Kaiserstraße sind bereits die Schienen verlegt. Alle paar Meter beleuchten links und rechts der beiden Trassen aneindergereihte Neonlampen die weiter laufenden Arbeiten – und sorgen für einen Eindruck, als ob der Weg durch Raum und Zeit bis zur Unendlichkeit führen wird. Aber das ist bei Weitem nicht das Einzige, was den folgenden Satz rechtfertigt:

„Viele, die zum ersten Mal hierher kommen, staunen: So gewaltig habe ich es nicht erwartet.“

Damit fasst Achim Winkel hunderte Besucherführungen unter der Erde zusammen, die der Pressesprecher der Karlsruher Schieneninfrastruktur- Gesellschaft (Kasig) im Laufe der Jahre durchgeführt hat. Bei einem weiteren Rundgang zeigt er den aktuellen Stand der Karlsruher „Kombilösung“.

Seit 2010 wird an dem Jahrhundertprojekt gearbeitet. Die Kombilösung ist eines der größten Verkehrsprojekte Deutschlands und verändert das Gesicht der Karlsruher Innenstadt von Grund auf. Sie besteht aus zwei Teilen: Zum einen führt sie dazu, dass oberirdisch keine Straßenbahnen mehr durch die Fußgängerzone der Kaiserstraße und vom Markplatz in Richtung Kongresszentrum im Herzen der Stadt fahren. Vielmehr verkehren sie künftig in dichtem Takt in einem Tunnel. Zudem wird auch schon die mehrspurige Kriegsstraße so umgebaut, dass der Verkehr zum Teil in einem Autotunnel rollt. Darüber verkehren dann Straßenbahnen zwischen Radwegen und Alleen.

 Die Kombilösung am Karlsruher Marktplatz im Modell.

Die Erkundungstour in den Karlsruher Untergrund star tet am Ettlinger Tor. Hier, nahe des Badischen Staatstheaters und bei der Einkaufspassage „ECE Center“, entsteht eine von insgesamt sieben neuen Haltestellen für die Stadtbahnen. Zwischen zwölf und 14 Metern liegen sie unter der Erde. Der Weg in die Tiefe führt noch über eine provisorische Holztreppe. Daneben ist wie an den meisten künftigen Haltestellen aber bereits eine Rolltreppe eingebaut, die in der Endphase der Baumaßnahmen angeschlossen wird. Nur wenige Meter danach weitet sich der Blick. Man gelangt in eine Art Halle. Wie eine Brücke überspannt die so genannte Verteilerebene die Haltestelle, quer über die beiden Schienen. Über sie gelangen später die Fahrgäste bequem zu ihrer jeweiligen Fahrtrichtung.

„Sie müssen sich also nicht schon oben entscheiden, welcher Eingang der richtige ist, um zu ihrem Gleis zu kommen“,

erläutert Winkel.

Von der Verteilerebene aus sind auch die gewaltigen Ausmaße der Haltestellen gut sichtbar. „100 Meter sind die Bahnsteige lang“, sagt Winkel. Der Sprint beim berühmten Karlsruher Leichtathletik-Indoor-Meeting könnte also locker samt Auslaufzone hierher verlegt werden. Und ebenso locker werden die bis zu 80 Meter langen Stadtbahnen hier draufpassen, die nach dem Karlsruher Modell nicht nur in der Fächerstadt, sondern auch weit ins Umland beispielsweise bis Freudenstadt, Heilbronn und in die Pfalz, verkehren.

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 Unter der Kriegsstraße entsteht ein Autotunnel.

„Sieben Tage des Herrn”

Unten macht Winkel darauf aufmerksam, dass die Bahnsteige auf ihren jeweiligen Seiten unterschiedlich hoch sind. Da die Ausstiege der Bahnen, die durch Karlsruhe fahren, zwei verschiedene Höhen aufweisen, ist so die Barrierefreiheit stets gewährleistet. Die Wände sind bereits weitgehend mit weißen Betonplatten ausgekleidet.

„Alles wird sehr hell und freundlich wirken“,

sagt Winkel. Die weißen Platten hängen an Metallverstrebungen, ihre Fugen sind millimetergenau ausgerichtet. An einigen Stellen ist noch Platz frei – für Schaukästen und Infotafeln sowie für insgesamt 14 Kunstwerke des Malers Markus Lüpertz, der die Haltestellen mit Arbeiten unter dem Titel „Genesis – Sieben Tage des Herrn“ ausstatten wird. Die Haltestelle Ettlinger Tor verfügt über einen Direktzugang, der Besucher unmittelbar ins „ECE Center“ führen wird, ohne bei Regen nass zu werden. Noch an zwei weiteren Haltepunkten sind solche Direktzugänge geplant.

Durch den Tunnel geht es weiter in Richtung Marktplatz, vorbei an Arbeitern, die Gegenstände zuschneiden oder Leitungen anbringen. Die Verlegung der Schienen ist nun auch in diesem Bereich weit fortgeschritten und wird 2019 beendet. Tausende Menschen werden insgesamt an der Kombilösung mitgearbeitet haben, darunter viele Mitarbeiter von Betrieben aus der Region. „Allein beim Innenausbau kommen wir auf 64 Gewerke, von der Elektrik über’s Wasser bis zum Stein- und Gleisbau“, erklärt Winkel. Wieder über der Erde folgt noch ein Abstecher zu den Arbeiten am Autotunnel in der Kriegsstraße. Schweres Gerät wühlt den Boden auf, während dahinter Arbeiter bereits den künftigen Tunnel der Verkehrsachse aufbauen. „Das Grundwasser ist wegen der Nähe zum Rhein nicht sonderlich tief, nur etwa fünf Meter unter der Oberfläche“, beschreibt Winkel eine der Herausforderungen bei diesem Teil der Kombilösung. Um die Baugrube gegen das Grundwasser zu wappnen, treiben Bagger unter anderem Rohre in den Boden. In die Rohre wird ein so genanntes Weichgel eingelassen, das den Untergrund abdichtet.

Ende 2021 alles fertig

Insbesondere Rückschläge wie 2013 die Pleite des Baukonzerns Alpine als Generalunternehmer haben das Megaprojekt verzögert. Gegenwärtig ist mit der Fertigungstellung des Stadtbahntunnels für 2020 zu rechnen. Die Beendigung der Arbeiten in der Kriegsstraße wird bis spätestens Ende 2021 angepeilt. Nach den letzten Angaben von Bürgermeister Frank Mentrup wird die Kombilösung schließlich 1,3 Milliarden Euro kosten, mit der Option, dass eventuell noch einmal 100 Millionen Euro draufkommen könnten.

„Aktuell ist unser Nahverkehrssystem längst an der Kapazitätsgrenze angelangt“,

betont Achim Winkel. „Zudem wird Karlsruhe weiter wachsen. Zwar sind Prognosen immer schwierig, aber mit der Kombilösung, die auch den Ausbau der L inien ermöglicht, wird Karlsruhe auf Jahrzehnte bestens ausgestattet sein.“

Christoph Ertz