Mit Robotern und Drohnen aufs Feld

Die „Landwirtschaft 4.0“

Die „Landwirtschaft 4.0“ verändert die Produktion der Nahrungsmittel und bringt höhere Anforderungen auch für das Landmaschinenmechaniker-Handwerk mit sich. Der „Hacktag 2019“ vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) zeigte Chancen und Herausforderungen der digitalen Revolution in der Landwirtschaft.

 An neuen technischen Helfern in der Landwirtschaft wird geforscht oder sie sind bereits im Einsatz.

Sein Name ist „Phoenix“, er i st rund 500 K ilogramm schwer oder leicht – je nachdem, was als Vergleich herangezogen wird. Geführt vor allem über ein Kamerasystem bewegt er sich langsam, aber stetig, auf Ketten. Seine Mission hat nichts mit einem antiken Mythos zu tun – sie klingt eher gewöhnlich: Unkraut! Und dennoch ist „Phoenix“ ein Bote der Zukunft. Der Feldroboter entfernt ungewollte Wildpfanzen etwa in einem Maisfeld mechanisch. Der Vorteil: Die Unkrautbekämpfung per Roboter würde den Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft verringern, der zunehmend in die Kritik gerät. Der Prototyp „Phoenix“ ist ein Beispiel für die „Landwirtschaft 4.0“.

Der Begriff bezeichnet die Digitalisierung, die sich nach Dampf, Hydraulik und Elektronik als vierte Revolution in der Geschichte auch in der modernen Landwirtschaft ausbreitet. Beispiele dafür sind neben Feldrobotern unter anderem noch Drohnen, die Felder kartieren, und Sensoren, mit denen der Nährstoffgehalt von Böden gemessen oder Daten zu den Haltungsbedingungen von Tieren erfasst werden. Auch Traktoren, die mit Satelliten kommunizieren, gehören zu dieser Entwicklung – ebenso wie Smartphones oder Tablets zur Kontrolle von Betriebsabläufen. Digitale Methoden können unter anderem die Effizienz in der Bewirtschaftung der Höfe steigern und zu einer deutlich exakteren Aussaat sowie Düngung auf den Feldern führen – so die Vision.

„Der Landwirt wird immer mehr zu einem Verwalter und Organisator“,

sagt David Reiser, Diplom-Ingenieur der Universität Hohenheim. Am dortigen Institut für Agrartechnik wird der Feldroboter „Phoenix“ entwickelt. Gerade haben die Augenpaare von mehr als 100 Teilnehmern des „Hacktags 2019“ in der Außenstelle Rheinstetten-Forchheim vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) gebannt verfolgt, wie die Maschine über ein Feld geflügt ist. Beim Hacktag führt das LTZ Landwirten und Mitarbeitern von Ämtern aus ganz Süddeutschland bis in die Schweiz vielfältige neue Techniken und Methoden im Ackerbau vor. Auch die Hochschulgruppe „Kamaro-Engineering“ vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zeigt dabei einen Feldroboter. „Die Bodenverdichtung wäre viel geringer als beim Einsatz großer Traktoren“, weist sie auf einen weiteren Vorteil hin.

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 Die Hochschulgruppe „Kamaro-Engineering“ testet einen Feldroboter.

Robotik-Spezialist Reiser lässt den „Phoenix“ derweil per Joystick vom Feld fahren und zurrt ihn für den Rücktransport auf einem Hänger fest. „Die mechanische Unkrautkontrolle muss man mehrmals im Jahr machen“, erklärt er. Das von Menschenhand zu erledigen, wäre heute undenkbar.

„Früher ernährte ein Landwirt 20 bis 50 Leute, heute sind es im Schnitt schon 120 bis 150. In der Tendenz müssen die Landwirte daher immer produktiver werden. Die Robotik versetzt sie in die Lage, möglichst viel, möglichst effektiv und auch ökologischer zu produzieren.“

Allerdings: Der „Phoenix“ wäre grundsätzlich einsatzfähig – aber für die tatsächliche Alltagsarbeit haben solche Roboter noch nicht auf den Feldern Einzug gehalten. Denn der Gesetzgeber lässt auch für die Äcker noch keine autarken Maschinen zu. Außerdem müssten dafür erst noch eine ganze Infrastruktur geschaffen und produziernde Firmen gefunden werden. Je mehr jedoch Verbote chemischer Pflanzenschutzmittel erfolgen, desto mehr steigt das Marktpotenzial dieser Technik.

 Der „Tomatensensor“ Plantec von Bosch liefert Daten etwa zu Luftfeuchtigkeit und Temperatur an einen Cloud-Server. Landwirte können dann unter anderem den Einsatz von Pestiziden besser planen.

In Zukunft mehr Roboter – aber nicht nur

„Die Landwirtschaft 4.0 steht noch am Anfang“, betont Kurt Möller, Leiter des Referats Pflanzenbau beim LTZ. Es gebe viele Hürden – auch an Zeit, Ausbildung und Wissen. Die Landwirtschaft 4.0 bedeutet für die Landwirte zunehmende Anforderungen, ebenso wie für das dazugehördende Handwerk etwa der 49 bei der Handwerkskammer Karlsruhe eingetragenen Betriebe im Landmaschinenmechaniker- Handwerk. Konkret umgesetzt ist die Vision gegenwärtig eher punktuell – etwa durch Drohnen, die zur Unkrauterkennung und -kartierung in verschiedenen Kulturpflanzen eingesetzt werden oder auch schon über Maisfeldern biologische Mittel gegen den schädlichen Maiszünsler abwerfen. Oder durch GPS-Systeme, die Mähdrescher und Traktoren zentimetergenau über die Felder lenken und so Einsparungen bei Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmitteln ermöglichen.

„Aber überall, wo es um biologische Dinge wie der Interpretation etwa eines Nährstoffmangels geht, brauchen Sie den Menschen“,

so der Agrarwissenschaftler Möller. „In 20, 30 Jahren werden wir mehr Roboter in der Landwirtschaft haben – aber sicher nicht nur.“

Info

Die Ursprünge des Landwirtschaftlichen Technologiezentrums Augustenberg (LTZ) reichen bis in das Jahr 1859 zurück, als der Chemiker Julius Neßler in Karlsruhe die Agrikultur-Chemische Versuchsstation gründete. Heute ist das LTZ eine nicht rechtsfähige Anstalt im Geschäftsbereich des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg. Etwa 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befassen sich in Karlsruhe-Augustenbergund den Außenstellen mit Fragen des Pflanzenbaus, der Pflanzengesundheit und der Produktqualität. In seinen Laboren analysiert das LTZ jährlich Tausende von Proben im Auftrag von Behörden, Unternehmen und Privatpersonen.

ltz-bw.de

Christoph Ertz