Unterschätztes Risiko:

Hochwasser

Königsbach-Stein liegt weder an der Donau noch an der Elbe noch an der Oder. Auch der Rhein ist ein gutes Stück entfernt von der knapp 10.000 Einwohner zählenden Gemeinde im Enzkreis. An Donau, Elbe und Oder kam es in den vergangenen 20 Jahren zu so genannten Jahrhunderthochwassern. Doch obwohl Königsbach- Stein weit entfernt von den großen Flüssen ist, richtete Wasser auch hier immense Schäden an.

Es ist der Abend des 7. Juni 2016. Ein heftiges Gewitter entlädt sich, starker Regen peitscht auf die Erde nieder. In der Region liegen unter anderem noch Pfinztal und Bruchsal-Untergrombach im Zentrum der Starkregen-Attacke, doch der Ortsteil Stein wird am heftigsten getroffen. Straßen, Keller und Wohnungen werden überflutet. Von den Hängen zieht eine regelrechte Schlammlawine durch den Ort. Die Schäden gehen in die Millionen, auch einige Betriebe sind betroffen. „Mit am schlimmsten traf es eine Metzgerei“, erinnert sich Jörg Fuchs von der Betriebswirtschaflichen Beratung der Handwerkskammer Karlsruhe. „Der Metzger eröffnete seinen Betrieb danach nicht mehr, er arbeitet heute angestellt.“ Nicht mal eine halbe Stunde dauerte der Regen, der etwa 30 Liter pro Quadratmeter brachte.

In der Expertensprache werden Hochwasserereignisse unterteilt in HQ10 oder HQ50 oder HQ100. Das sind statistisch gesehen Ereignisse, die einmal in zehn beziehungsweise 50 oder 100 Jahren vorkommen. Das klingt, als würde man es nie erleben. „Doch gerade Starkregen hat deutlich zugenommen“, sagt Fuchs. „2016 gab es in unserem Bezirk auch noch in Ölbronn-Dürrn ein ähnlich verheerendes Unwetter wie in Stein.“ Auch dort haben einige Handwerksbetriebe größere Schäden davon getragen.

Zwar sieht der Deutsche Wetterdienst keine statistischen Beweise für eine Zunahme von Unwettern etwa in Folge des Klimawandels, dafür sei die Datengrundlage noch zu mangelhaft. Ein starkes Indiz liefert aber die Allianz. Im Jahr 2015 verzeichnete der Katastrophenkalender
der Versicherung 305.100 Schäden durch Naturkatastrophen. Im Durchschnitt waren das also 836 Schäden pro Tag. Zum Vergleich: Im Jahr 2014 waren es insgesamt nur 177.000 Schäden. Und vor allem: „Starkregen oder schweren Hagel kann es überall geben“, warnt Ute Matysek, Umweltberaterin bei der Handwerkskammer Karlsruhe. 

„Es ist überhaupt nicht abschätzbar, wo das runterkommt.“ Ihr Rat: „Auf Hochwasser sollten Handwerksbetriebe vorbereitet sein.“ Denn, wie im Falle der Metzgerei in Königsbach-Stein, der Schaden kann schnell existenzbedrohend sein. „Ganz vermeiden lassen sich die Risiken nicht“, fährt die Umweltberaterin fort. „Aber man kann sie minimieren.“

Gerade Hochwasserrisiken sind vielfältig, sie betreffen unter anderem die Themen Arbeitsschutz, Lieferketten, Schutz der Umwelt und technisches Sicherheitsmanagement. Doch wo anfangen? Vielleicht am besten mit einem Blick in die Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten des Landes Baden-Württemberg (siehe Infobox), erstellt für alle relevanten Gewässer in einem Gemeinschaftsprojekt der Kommunen und des Landes. Für insgesamt 12.500 Kilometer entlang der baden-württembergischen Gewässerstrecken liefern diese Karten konkrete Informationen über die mögliche Ausdehnung und Tiefe einer Überflutung im Hochwasserfall. Sie zeigen demnach auf, wo und in welchem Ausmaß es zu Hochwasser kommen kann und wer oder was davon betroffen ist. Mit ihnen ist es möglich, so formulieren es die vier Regierungspräsidien im Land, „für jeden Standort in Baden-Württemberg die Risiken durch Hochwasser zu bewerten und konkrete Maßnahmen zu ergreifen“.

Bezogen auf einzelne Betriebe fällt das vorbeugende Risikomanagement sehr unterschiedlich aus. „Immer ist die ganz individuelle Situation zu berücksichtigen“, sagt Matysek. Grundsätzlich können sowohl technische als auch organisatorische Maßnahmen in Betracht kommen. Das kann aufwändig sein, wenn etwa Fässer höher gelagert oder Schutzwälle errichtet oder mobile Absperrvorrichtungen angeschafft werden sollten. Wer mit Chemikalien in seinem Betrieb umgeht, muss insbesondere dafür Vorkehrungen treffen. „Ein sinnvoller Schritt ist es oft aber schon, Werkzeug höher zu lagern oder Paletten anzuschaffen“, so Matysek weiter. „Das Thema Hochwasser ist so vielschichtig, dass die Vorsorge durchaus mit einigem Aufwand verbunden ist. Aber sie gehört zu den unternehmerischen Aufgaben dringend dazu.“

Wichtig für jeden Betrieb ist, einen Krisenmanagementplan in der Schublade zu haben. Notfallnummern oder Ansprechpartner in Notfallplänen müssen dabei stets aktuell gehalten werden. Von außerordentlicher Dringlichkeit sind zudem Versicherungen. Denn sollten wegen Hochwasser Schäden entstanden sein, greift die Versicherung unter Umständen nur, wenn sie eine Elementarschadenklausel beinhaltet. Und zu Betriebsausfallversicherungen gibt Berater Jörg Fuchs zu bedenken: „Wenn Sie zwei Wochen zumachen müssen, sind Ihre Kunden wahrscheinlich erstmal weg! Dann nutzt die Betriebsausfallversicherung nur bedingt. Die Handwerkskammer bietet aber Seminare an, wie man sich auf solche Extremsituationen vorbereiten kann.“

Am gesamten Rhein kommt es regelmäßig zu Überschwemmungen, besonders massiv war beispielsweise das Pfingsthochwasser 1999

Großer Handlungsbedarf

Allerdings scheint genau in der Vorbereitung auf solche extremen Situationen ein weitverbreitetes Problem zu bestehen. Denn nach Einschätzung der Fachleute bei der Handwerkskammer gehen viele Betriebe allzu sorglos mit Hochwasser-Risiken um. „Auch die Kollegen in anderen Kammerbezirken stimmen darin überein, dass hier ein großer Handlungsbedarf besteht“, sagt Matysek. „Wenn es zu solchen Ereignissen kommt, ist die Aufregung groß, danach herrscht schnell wieder die totale Ebbe. Warum? Darüber rätseln wir schon lange.“ Noch nie, so sagt die Umweltberaterin, sei sie aus dem Kammerbezirk speziell wegen Hochwasservorsorge um eine Beratung gebeten worden. Wenn sie aber wegen Abfallthemen oder Lärmproblemen Betriebe besucht, hat sie stets auch ihre Informationsunterlagen zu Hochwasserrisiken im Gepäck und weist auf das vermeintliche Randthema hin. Vielfach hört sie dann: „Vielen Dank für die Information, das war mir gar nicht bewusst.“ Dabei kann ein nicht mal halbstündiger Regen ausreichen, um die Existenz eines Betriebes auszulöschen.

Info

Im Internet bietet die Seite www.hochwasser.baden-wuerttemberg.de vom Landesumweltministerium viele Informationen und Tipps zum Thema. Unter dem Menüpunkt „Vorsorge“ gibt es auch eine Checkliste zum betrieblichen Hochwasserrisikomanagement.
Außerdem sind die Hochwassergefahrenkarten verlinkt.

Kontakt zu Ute Matysek, Umweltberaterin der Handwerkskammer Karlsruhe,
Telefon: 07231/428068-388,
E.Mail: matysek@hwk-karlsruhe.de.

Kontakt zu Jörg Fuchs, Betriebswirtschaftlicher Berater der Handwerkskammer Karlsruhe,
Telefon: 0721/1600-382,
E.Mail: fuchs@hwk-karlsruhe.de.

Christoph Ertz