Handwerk als Keimzelle von Innovationen

Gespräch mit der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht das Handwerk für den Gesamterfolg des Landes Baden-Württemberg?

Nicole Hoffmeister-Kraut: Das Handwerk ist ein sehr wichtiger Bestandteil des baden-württembergischen Erfolgsmodells. Es ist ein zentraler Fachkräftelieferant und leistet einen wesentlichen Beitrag zum Innovationsgeschehen – das wird oftmals unterschätzt. Handwerksbetriebe sind häufig Erstanwender von neuen Technologien, verbreiten sie, regen bei den Produzenten Verbesserungen an oder leiten daraus selbst Innovationen ab. Handwerkliche Betriebe sind daher ein bedeutender Partner der Industrie und stärken unsere Forschungs- und Entwicklungslandschaft. Gerade im ländlichen Raum spielt das Handwerk zudem eine besonders starke Rolle, weil es dort für viele wohnortnahe Ausbildungs- und Arbeitsplätze sorgt. Kurz gesagt: Das Handwerk ist ein wichtiger Motor unserer Südwestwirtschaft und unseres Arbeitsmarkts.

Wie kann das Land auch kleinere Betriebe bei der Umstellung in die digitale Welt besser unterstützen?

Hoffmeister-Kraut: Mit unseren Digitallotsen unterstützen wir die kleinen und mittleren Unternehmen bereits ganz niederschwellig und unkompliziert beim Einstieg in Digitalisierungsvorhaben. Mit den Lernfabriken 4.0 machen wir außerdem schon den Fachkräftenachwuchs fit für den digitalen Wandel. Außerdem verhelfen wir mit verschiedenen Initiativen zur IT-Sicherheit insbesondere mittelständischen Unternehmen zur notwendigen Souveränität im Umgang mit Cyber-Angriffen. Und ich habe bereits den Startschuss für die branchen- und themenübergreifende „Initiative Wirtschaft 4.0“ gegeben. Damit wollen wir vor allem kleine und mittlere Unternehmen unterstützen, die immensen Chancen der Digitalisierung zu nutzen und die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen.

 Nicole Hoffmeister-Kraut mit Vertretern des Handwerks. „Das Handwerk sollte stärker öffentlich als attraktiver Arbeitgeber auftreten“, sagt sie.

Wo sehen Sie beim heimischen Handwerk die Themenschwerpunkte und Arbeitsfelder der Zukunft in zehn Jahren?

Welche Erwartungen haben Sie an das Strategieprojekt „Handwerk 2025“, das mit Ihrer Beteiligung für das baden-württembergische Handwerk entwickelt wurde?

Hoffmeister-Kraut: Die Märkte des Handwerks verändern sich durch die Digitalisierung immer schneller. Ich sehe darin aber auch große Chancen für das Handwerk. Zum Beispiel können über kooperativ betriebene Plattformen Komplettlösungen aus einer Hand angeboten werden. Auch politische und gesellschaftliche Entwicklungen bieten dem Handwerk neue Möglichkeiten, denken Sie an die Energiewende oder die Demografie. Ich meine Chancen durch Nachfragepotenziale in den Bereichen Smart Home, Gebäudetechnik, Energieeffizienz oder altersgerechtes Bauen und Sanieren. Eine strategische Betriebsführung,
Personalmanagement, Qualifizierung oder Investitionen in Hardund Software stellen in dem Zug Herausforderungen für viele Handwerksbetriebe dar. 

Im Rahmen des Strategieprojekts „Handwerk 2025“ haben wir diese Entwicklungen aufgearbeitet und Handlungsfelder identifiziert. Nun werden konkrete Maßnahmen erarbeitet, damit die Handwerksbetriebe diese Herausforderungen bewältigen können. Die Ergebnisse des Projekts bieten natürlich auch eine wichtige Orientierungslinie für die Handwerkspolitik der Landesregierung.

Ihr großer Vorteil als Wirtschaftsministerin ist, dass Sie selbst unternehmerisch tätig waren. Wie schwierig ist es, Ihre praktische Erfahrung in der Wirtschaft in die Politik zu übertragen?

Hoffmeister-Kraut: Ich bin überzeugt, dass unsere Politik davon lebt, dass Politikerinnen und Politiker unterschiedliche Hintergründe, Expertisen und Perspektiven einbringen. Mir selbst bringt es in meinem Amt als Wirtschaftsministerin viel, dass ich weiß, wie Unternehmen arbeiten und funktionieren. Die betriebliche Sicht zu kennen und zu verstehen, sehe ich als große Bereicherung an.

Gerade Handwerksbetriebe klagen verstärkt über den Fachkräftemangel. Was kann aus Ihrer Sicht helfen, die Situation
zu verbessern?

Hoffmeister-Kraut: Die Fachkräftesicherung wird uns angesichts der demografischen Entwicklung noch länger beschäftigen. Das Fundament der Fachkräftesicherung ist die berufliche Ausbildung. Das Handwerk darf daher in seinen Ausbildungsanstrengungen nicht nachlassen. Wir arbeiten im Ausbildungsbündnis daran, die Chancen und Karriereperspektiven einer Berufsausbildung noch bekannter, transparenter und besser erlebbar zu machen. Wichtige
Stellschrauben dafür sind unsere Berufsorientierungsangebote oder unsere Ausbildungsbotschafter, die an den Schulen Jugendliche für die Ausbildung begeistern. Zwei Drittel der im Handwerk Ausgebildeten verlassen es im Laufe ihres Berufslebens. Beschäftigte an den Betrieb zu binden, ist also auch ein wichtiges Thema. Das Handwerk sollte noch stärker öffentlich als attraktiver Arbeitgeber auftreten. Diese Aspekte sind auch zentral in unserem Projekt „Handwerk 2025“, von dem ich passgenaue Vorschläge erwarte, wie wir die Betriebsleitungen noch stärker hierfür sensibilisieren können.

Wie schätzen Sie die TechnologieRegion Karlsruhe als Wirtschaftsraum ein?

Hoffmeister-Kraut: Die TechnologieRegion Karlsruhe steht für eine überdurchschnittliche Wirtschaftskraft, einen dominanten Dienstleistungssektor und eine starke Hochschul- und Forschungslandschaft
mit einer hohen Innovationskraft. Hier gibt es starke Cluster in wichtigen Kompetenzfeldern wie Automotive, Informationstechnologie beziehungsweise Unternehmenssoftware, Nanotechnologie, Energie und Medien sowie Kultur- und Kreativwirtschaft. Die regionalen Partner wurden im RegioWin-Landeswettbewerb zur zukunftsfähigen Regionalentwicklung nicht umsonst als „WINregion“ ausgezeichnet. Die TechnologieRegion Karlsruhe ist ein Leuchtturm unseres Wirtschaftsstandorts.

Haben Sie selbst handwerkliches Geschick?

Hoffmeister-Kraut: Ehrlich gesagt, nicht so sehr. Ich habe dafür aber einen grünen Daumen und mache im Garten sehr viel.

Das Gespräch führte Horst Koppelstätter