Die Stadt ist der Star

Stadtgeburtstag - 300 Jahre Karlsruhe

von Ute Bauermeister

Wow! Die Stadt war wirklich der Star! Und ihre 300.000 Bewohner feierten mit! Jeden Abend versammelten sich viele Menschen vor dem Karlsruher Schloss und bestaunten die wechselnden Licht-Shows. Gemütlich auf Decken sitzend und plaudernd, den Kinderwagen daneben oder aufs Rad gestützt: Hier kamen Generationen zusammen, um das allabendliche Spektakel zu betrachten. Die 180 Meter lange Fassade des Schlosses veränderte sich rasant: Architektonische Elemente schienen in 3D auf die Menge zuzurasen, schnell und farbenfroh spielte sich die Historie ab oder es entstanden bunte Lichtspektakel.

Ob Markgraf Karl Wilhelm sich das hätte träumen lassen, als er vor 300 Jahren im Hardtwald einnickte und im Schlummer, erschöpft von der Jagd, die Vision einer strahlenförmigen Stadt hatte, die er 1715 gründete? Der absolute Herrscher bot zwar rechtliche und steuerliche Vergünstigungen, damit sich die Menschen in „Karls-Ruhe“ nieder ließen, aber Zugang zu seinem Schloss oder dem Schlossgarten gewährte er den Bürgern nicht. 300 Jahre später ist das imposante Schloss mitsamt dem schönen Park offen für alle Bürger der Stadt. Nicht nur das. Der Schlosspark, in dem Karl Wilhelm seine Tulpen pflanzte, war mit dem großen Holz-Pavillon das Zentrum und Herzstück des Stadtgeburtstages.

 Die Stadt ist der Star: Die Inszenierung „pulled by roots“ des Künstlers Leandro Erlich.

Das renommierte Architekturbüro Jürgen Mayer H. hat den zwischen Schloss und See platzierten Pavillon in Kontrast zum Barock-Schloss als modernes Zentrum aus lauter schräg geneigten und 16 Meter hohen Holzstützen gebaut, die unregelmäßig in die Höhe ragten. Jürgen Mayer erläutert: „Holz ist emotional positiv besetzt und damit sehr interessant für einen Ort, an dem sich Menschen wohl fühlen sollen. Außerdem spricht für Holz die nachhaltige Ökobilanz dieses natürlichen Materials. Die Tragstruktur besteht aus 164 hellgrauen, miteinande verbundenen Holzstäben. Als Baumaterial wählten wir Fichtenholz als Referenz an die Bäume im Hardtwald.“ Der Pavillon war Treffpunkt, Veranstaltungsort, Bühne und Café. Hier ging es täglich schon mit Frühsport los, nachmittags gab es Werkstätten und abends Lesungen, Diskussionen, Konzerte und Klein- kunst.

Das Konzept ging auf, der Schlosspark war 100 Tage lang begehrter Treffpunkt für Jung und Alt. Komplikationslos konnte jeder einfach mal vorbeischauen, meist waren keine Karten nötig und es wurde immer was geboten. Martin Wacker, Projektgeschäftsführer des Teams Karlsruhe 300, zeigte sich vollends zufrieden: „Eine junge, dynamische und selbstbewusste Stadt fächerte mit über 500 Veranstaltungen ihr Potential auf, 10.000 Bewohner waren aktiv beteiligt und viele Hunderttausende haben auch von außerhalb mitgefeiert.“ Es sei eine Begeisterung spürbar gewesen, die es so noch nie gegeben habe. Mit über 550.000 Besuchern nach sechs Wochen Stadtgeburtstag liege das Interesse über den eigenen Erwartungen. „Die Veranstaltungen stoßen allesamt auf Zuspruch“, bilanziert Wacker. Er sagt weiter: „Die Menschen strömen nicht nur sehr zahlreich zu den einzelnen Events, sie verbreiten vor allem eine wunderbar fröhliche, friedliche und positive Stimmung.“ Gefeiert wurde zudem nachhaltig. „Die Stadtwerke lieferten Ökostrom, alle Werbemittel wurden auf Recycling-Papier gedruckt und die benötigten Elektrogeräte gemietet“, berichtet Wacker.

 Die Lichtshow am Schloss.

Schüler des Goethe-Gymnasiums haben eine Juniorfirma gegründet, um das Holz nach Abbau des Pavillons weiter verarbeiten zu können. Ein Drittel der über 300 Kubikmeter Holz wird in der Stadt verbleiben und zwei Drittel wird die Holzbaufirma wieder mitnehmen und recyceln. Überlegt wurde, einen Spielplatz aus Holz zu bauen oder aber Sitzhocker zu gestalten, die dann verkauft werden. Die Tendenz geht jedoch in Richtung Bänke, welche die Form des Pavillons bei-
behalten und die mit dem KA-300-Logo gebrandet dann in der Stadt aufgestellt werden, so dass alle Bürger etwas davon haben. Nicht nur das Holz bleibt in der Fächerstadt, viele Projekte strahlen über den Geburtstag hinaus noch nach.

„Einige Stadtteilprojekte sind so gut angekommen, das wollen die Organisatoren beibehalten, zum Beispiel soll es nächstes Jahr wieder einen Wäscherinnenlauf in Bulach geben“, berichtet Franziska Pfaff vom Team KA 300. Auch der „Garten der Religionen“, der am 24. September im City-Park der Südstadt-Ost eröffnet, dient als dauerhafter Treffpunkt von Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeiten und Konfessionslosen und soll den Dialog und Austausch fördern. Denn schon der Privilegienbrief des Markgrafen führte Menschen vielerlei Herkommens und Glaubens in die Fächerstadt. Das groß angelegte Volonteer-Programm wird ebenfalls weiter geführt werden. „Das ist für große Ver- anstalter extrem attraktiv, wenn wir Volonteers in petto haben“, erläutert Martin Wacker.

 Großer Andrang herrschte unter anderem bei der Oldtimer-Parade.

Globale – ein komplett neues Kunstereignis im ZKM und in der Stadt
Eine große Wolke und eine Datenflut empfängt die Besucher in den beiden beeindruckenden Lichthöfen im Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM). ZKM-Chef Peter Weibel hat mit der „Globale“ viele spektakuläre Kunstereignisse geschaffen zu den aktuell beherrschenden Themen Globalisierung und Digitalisierung. „Ziel der Globale ist es, den Reichtum und die Optionen der neuen Allianz von Wissenschaft und Kunst im digitalen globalen Zeitalter zu zeigen“, so Peter Weibel. Dafür hat er die Lichträume, in denen sonst viele verschiedene Medienkunstwerke zu sehen sind, komplett leer geräumt. In dem einen läuft der Besucher auf einer großen Holzrampe in eine sich immer stärker verdichtende, künstliche Wolke (die Cloudscape wurde von 

Transsolar + Tetsuo Kondo entwickelt), im anderen Hof macht die audiovisuelle Installation des japanischen Medienkünstlers Ryoji Ikeda die uns permanent und unsichtbar umgebenden Datenströme der Infosphäre erlebbar. Nicht nur durch die Räumlichkeiten des ZKM strömt die „Globale“. Peter Weibel hat auch die Lichtshow auf der Schlossfassade kuratiert, Diskussionen organisiert und die Großbaustelle der Fächerstadt mit Performances und Kunst bestückt: So biegt sich ein knallroter „Truck“ von Erwin Wurm an einer Häuserfassade nach oben und an einem Kran am Marktplatz lässt der argentinische Künstler Leandro Erlich gleich ein komplettes Haus in der Luft hängen, dessen Wur- zeln aus dem Boden zu wachsen scheinen. Eine Ablenkung vom Baustellenlärm bietet das „Heaven’s Carousel“ von Tim Otto Roth, das mit den rotierenden Klang- und Lichtkugeln für sphärische Klänge sorgt. Die Fächerstadt präsentierte sie sich vielfältig und im technischen Wandel vorne dabei, nicht nur das Rad wurde hier erfunden, auch die erste E-Mail Deutschlands ging in Karlsruhe ein. Heute sind QR- Codes, Facebook, Youtube und freies W-Lan eine Selbstverständlichkeit. Auf diesen Kanälen wird der 300. Stadtgeburtstag sicher weiterhin mit Filmen, Bildern und Worten präsent sein.

www.ka300.de


Stadtgeburtstag - was bleibt:

Badisches Landesmuseum Karlsruhe
Die Ausstellung „Karl Wilhelm 1679 – 1738“ ist im Karlsruher Schloss
noch bis zum 18. Oktober zu sehen.
www.landesmuseum.de

„Garten der Religionen für Karlsruhe“ im City-Park der Südstadt-Ost
(an der Marie-Juchacz-Straße nahe dem Ostring-Kreisel)
Straßenbahn 6 (Haltestelle Wolfartsweierer Straße)
Eröffnung: 24.9., 14-18 Uhr

ZKM „Globale“ noch bis 17. April 2016
Ausstellungen und Veranstaltungen zu den großen Themen des 21. Jahrhunderts:
Globalisierung und Digitalisierung.
Das neue Kunstformat thematisiert deren Effekte und zeigt die entscheidenden
Tendenzen des 21. Jahrhunderts anhand aktuellster Kunstproduktionen jenseits
des Kunstmarkts.
www.zkm.de

Die Stadt ist der Star – Kunst an der Baustelle
Vom K-Punkt am Staatstheater bis zum Marktplatz
Ausstellung bis 27.09.2015