Stündlich mehr als 3.200 Lkw-Ladungen Luft

Rulantica ist eine hochmoderne Technikzentrale

Stehende Luft ist schlecht, das weiß jeder. In der Natur ist die Luft durch Winde ständig in Bewegung, dafür sorgen insbesondere Unterschiede in der Sonneneinstrahlung und die Corioliskraft. Auch in Rulantica wird die Luft andauernd bewegt – doch in der geschlossenen Indoor-Wasserwelt kann es keine natürlichen Winde geben. Es muss ein gewaltiger technischer Aufwand betrieben werden, um die Luft rein zu halten.

Das Lüftungssystem von Rulantica schiebt 390.000 Kubikmeter Luft duch die Halle – in der Stunde. „Das wären umgerechnet 3.250 Lkw-Ladungen“, beschreibt Lutz Könnecke von der Planungsgruppe VA Bädertechnik mit Hauptsitz in Hannover, die die Planung der technischen Gebäudeausrüstung in den Gewerken Bädertechnik, Heizung, Kälte, Klima und Sanitär sowie die Gebäudeautomation konzipiert und umgesetzt hat. Die unablässige Luftumwälzung über insgesamt 13 Lüftungsanlagen führt unter anderem dazu, dass sich die Wärme gleichmäßig in der rund 12.000 Quadratmeter großen Halle verteilt. Außerdem verfügt Rulantica über eine Fußbodenheizung. Wie die Luft wird auch das Wasser ständig in Bewegung gehalten. Pausenlos finden Spül- und Rückspülprozesse statt, in zehn getrennten Kreisläufen sind Umwälzpumpem im Betrieb. „Jede Stunde werden 4.500 Kubikmeter Badewasser umgewälzt und gereinigt“, fährt Könnecke fort. „Das entspricht 38 Lkw.“

Jedes Rutschen ist anders

Für den Gast ist der Tag perfekt, wenn er von den hinter seinem Vergnügen stehenden Systemen nichts mitbekommt – Rulantica ist in diesem Sinne eine einzige unsichtbare, hochmoderne Technikzentrale. Überall trägt die Technik zum Vergnügen bei. Eine der Herausforderungen besteht beispielsweise darin, für alle Nutzer der Rutschen die passenden Wassermengen bereitzustellen. Kein Rutschvorgang ist wie der andere, da das Wasser immer unterschiedliche Gewichtsmengen transportiert. Die passende Wasserbevorratung für alle muss sehr aufwendig ausgetüftelt und gesteuert werden – innerhalb eines so genannten „vorhersagbaren Wegs“. In der Tornado-Wave-Rutsche „Vinter Rytt“ fließt das Wasser über Pumpen sogar bergauf, doch die größere technische Leistung ist es, einen Teil des Wassers rechtzeitig umzuleiten. Sonst würden die rutschenden Gäste bei ihrem Abwärtsritt eine zu große Welle vor sich hertreiben.

Technikzentrale – so groß wie ein Einfamilienhaus

„Unsere Wasserwelt ist absolut auf dem neuesten Stand der Technik“,

stimmen Andreas Beil und Sebastian Kasten überein. Als Leiter der Technik sind sie dafür zuständig, die Einrichtung im täglichen Betrieb am Leben zu erhalten. Tausende Sensoren sind in dem Gebäude verteilt. Ohne Unterlass liefern sie Informationen, beispielsweise zur Qualität von Wasser und Luft, die in der Leittechnik zusammenlaufen.„Auf dem Dach gibt es acht Lüftungszentralen, jeweils so groß wie ein Einfamilienhaus“, so der technische Bauleiter Könnecke.

Der Keller ist ebenfalls voller Anlagen und vermittelt den Eindruck, als solle ein Ozeanriese vom Stapel gelassen werden. Hier sind 65 Umwälzpumpen und 47 große Wasserfilteranlagen untergebracht. Eine solche Ausstattung dürfte zumindest in Deutschland in einem Bäderbetrieb einmalig sein. Sand- und Aktivkohlefilter sorgen dabei für einen besonders hohen Reinigungsgrad. Zudem erklärt Andreas Beil:

„Wir setzen drucklose Filter ein, die bei Rückspülungen deutlich weniger Wasser als herkömmliche Druckfilter brauchen. Das haben auch nicht allzu viele Bäder.“

Für die Mess- und Regeltechnik muss im ganzen Gebäude kein einziger Knopf gedrückt werden, alles funktioniert über Computer. Es gibt auch einen Supervisor-Raum mit einer großen Bildschirmwand. In diesem Raum ist die Technik-Abteilung von Beil und Kasten untergebracht.

„Dass alles vollautomatisch läuft, gibt uns aber natürlich keinen Freifahrtschein“,

sagt Kasten. Die Überwachungspflicht durch den Menschen bleibt, die Technik hilft ihm dabei, sie bestmöglich auszuführen. „Drei Mal am Tag werden beispielsweise Wasserproben entnommen und untersucht“, gibt Kasten ein Beispiel.

 Insgesamt verfügt Rulantica über 65 Umwälzpumpen und 47 Wasserfilteranlagen.

Checks ab sechs Uhr morgens

Er und sein Kollege Beil haben zwölf Mitarbeiter und schon Monate vor der Eröffnung von Rulantica begann die Zusammenstellung und die Vorbereitungen des Teams. Zu den Voraussetzungen für die Arbeit in der Wasserwelt gehört, dass jeder gut schwimmen kann. „Wir hatten Bewerber, die wir deshalb ablehnen mussten“, sagen die Technik-Leiter. Mit der Inbetriebnahme sind die Mitarbeiter von der Technik morgens ab Sechs im Gebäude unterwegs und unterziehen alles einem Check – also drei Stunden, bevor die ersten Hotelgäste kommen. Die tägliche Wartung reicht von den rund 3.500 Spinden bis zu den 17 Wasserrutschen. Die Techniker begutachten penibel alle Rutschen. Die meisten gehen sie ab, doch bei den größten Rulantica-Rutschen kommt es sogar zu Szenen wie bei einem alpinen Klettersport. Da der Zugang nur so möglich ist, seilt sich ein Techniker an beziehungsweise in den Röhren ab, während er von einem Kollegen mit einem weiteren Seil gesichert wird. „Wir streben eine Anlagenverfügbarkeit wie im Europa-Park an“, betonen Beil und Kasten. „Dort liegt sie bei über 99 Prozent.“

Christoph Ertz