Wie Freiburg vor 900 Jahren aussah

Europa-Park-Computerexperte Hans-Jürgen van Akkeren taucht in seiner Freizeit in die Geschichte ein und erhält dafür einen Preis des Landes Baden-Württemberg

Das berühmte Freiburger Münster ist noch gar nicht da. Dafür aber eine Pfarrkirche, die Vorgängerin der stolzen Kathedrale. Dazu zeigt der Panoramablick eine Ansammlung von Häusern, kaum mehr als ein Dorf mit ein paar 1.000 Bewohnern. Umschlungen wird die Siedlung von einer Stadtmauer samt Graben und darüber wacht auf einer steilen Anhöhe eine kleine Burg. Gerade feierte Freiburg seinen 900. Geburtstag.

Corona-bedingt sind die Veranstaltungen aus Anlass der Verleihung der Stadtrechte durch Konrad von Zähringen 1120 bis in das Jahr 2021 verlängert worden. Dazu gehören auch digitale Rekonstruktionen, die 2020 in der Ausstellung „freiburg.archäologie“ im Augustinermuseum zu sehen waren. Die Animationsfilme zeigen, wie die heutige Breisgau-Metropole in ihrer Anfangszeit vor 900 Jahren ausgesehen hat

Geschaffen hat den faszinierenden Blick auf längst vergangene Zeiten der Europa-Park-Mitarbeiter Hans-Jürgen van Akkeren. Im Park arbeitet er seit 20 Jahren als Netzwerkadministrator. Seine IT-Kenntnisse bringt er aber auch in seiner ehrenamtlichen Arbeit in der Archäologischen Denkmalpflege ein. „Besonders die mittelalterliche Geschichte hat mich schon als Jugendlicher interessiert“, erklärt er. Die Leidenschaft für die Zeit der Burgen und Ritter lebt er heute auf vielfältige Art aus. Neben der digitalen Tüftelei an historisch möglichst exakten Rekonstruktionen betreibt der 54-Jährige die Internetseite www.breisgau-burgen.de und er betätigt sich als Burgführer in der Umgebung seines Heimatortes Kenzingen. Dafür lässt sich der zweifache Familienvater sogar mittelalterlich anmutende Gewänder schneidern. Zudem fertigt er im eigenen Atelier unter anderem für Museen Faksimiles von mittelalterlichen Dokumenten sowie Siegeln an.

Wie die alten Mönche schreibt er mit Feder, Pergament und Tinte jahrhundertealte Texte nach. So originalgetreu, dass nur Experten die Nachbildungen als solche erkennen. Ein Fälscher also? Nein, lacht van Akkeren. „Ich arbeite nur nach offiziellen Aufträgen und jede Arbeit trägt meine Unterschrift.“

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Eine Stunde für eine Zeile

Mit den Faksimiles sparen sich Museen beispielsweise hohe Versicherungssummen, die fällig sind, wenn sie die Originale in Ausstellungen zeigen. Mit Vorarbeiten sitzt van Akkeren bis zu 100 Stunden an mittelalterlichen Urkunden oder an Buchmalerei. Seine Frau weiß, dass sie ihn dann nicht stören darf. „Für eine Zeile einer mittelalterlichen Abschrift brauche ich bis zu einer Stunde.“ Ein kleines Verrutschen beim Federstrich – und er müsste von vorne beginnen. „Aber ein Fehler ist mir noch nie passiert.“ Eine Urkunde, die er beispielsweise schon nachgeschrieben hat, ist der Werkvertrag des Baumeisters Johannes von Gmünd, der im 14. Jahrhundert am Freiburger Münster mitgewirkt hat. „Darin ist festgelegt, dass er alle zwei Jahre einen neuen Mantel mit Pelz zu bekommen hatte und im Krankheitsfall weiterbezahlt werden musste“, beschreibt der Schriftkünstler auf historischer Mission. Wenn er in die alten Dokumente eintaucht, wird das Mittelalter so richtig lebendig.

Für sein vielfältiges Engagement ist der Geschichtsfan mit dem mit 5.000 Euro dotierten „Sonderpreis des Archäologie-Preises Baden-Württemberg“ ausgezeichnet worden. Van Akkeren verkörpere einen neuen Typ des Ehrenamtlich-Beauftragten, hieß es dazu. Neben den üblichen Fund- und Baustellenbeobachtungen bringe er technische und künstlerische Begabungen zum Erhalt des archäologischen Erbes ein. Geschichte als Beruf hat der Hobbyhistoriker aber nie gewollt – seinen Traumberuf hat er im Europa-Park gefunden. „Hier wird es nie langweilig“, schwärmt van Akkeren: „Archäologie und Geschichte sind zwar tolle Themen, aber wenn ich diese als Hauptberuf ausüben würde, welche Hobbys hätte ich dann?“

Hilfe für den Park

Außerdem kommt es auch im Europa-Park immer wieder vor, dass seine Geschichtskenntnisse und die damit verbundenen Fähigkeiten gefragt sind. Die Bauabteilung frage von Zeit zu Zeit um Rat, erklärt er. Zudem führte sein Engagement dazu, dass der Europa-Park 2010 zwei Nachbildungen des „Ruster Schwerts“ anfertigen ließ. Eine davon ist für die Park-Besucher in einer Vitrine im Rittersaal von Schloss Balthasar zu besichtigen. Das Original-Schwert – eine rund 90 Zentimeter lange Hiebwaffe aus der Stauferzeit im 12. Jahrhundert – war 1910 bei Grabungsarbeiten im Hof von Schloss Balthasar freigelegt worden. Dieser historische Schatz ist inzwischen vom baden-württembergischen Landesdenkmalamt als Dauerleihgabe an die Gemeinde Rust übergeben worden und wird dort im Bürgersaal des Alten Rathauses aufbewahrt.

Für den Park durfte van Akkeren ebenfalls bereits mit seinen Schreibfertigkeiten Hand anlegen. So hat er für den fiktiven Abenteurerclub „Adventure-Club of Europe“ eine Gründungsurkunde wie aus dem 18. Jahrhundert ausgestellt – in diesem Fall ganz ohne wissenschaftliche Fesseln. Und als für die wiedereröffnete Indoor-Themenfahrt „Piraten in Batavia“ eine Urkunde zur Zertifizierung der Echtheit der dahinterstehenden Geschichte gebraucht wurde, war es wiederum van Akkeren, der dem abenteuerlichen Ringen um den magischen „Dolch von Batavia“ Brief und Siegel verlieh. Die Urkunde und damit die Kunst van Akkerens kann jeder Park-Besucher im Eingangsbereich der Piratenfahrt bewundern.

von Cristoph Ertz

atelier-van-akkeren.de

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