Science-Fiction wird wahr

Der Europa-Park ist Vorreiter bei der Digitalisierung des Entertainments/ Hinter den bahnbrechenden Innovationen steht Michael Mack

Er steht am Abgrund, hunderte Meter geht es in die Tiefe. Vorsichtig setzt er einen Fuß vor den nächsten. Dabei weiß er ganz genau: Es kann nichts passieren, es ist nur eine Simulation. Doch selbst professionelle Videospiele-Tester sind so verblüfft von der neuen VR-Attraktion „YULLBE“ des Europa-Park, dass sie den virtuellen Abgrund vor ihren Augen mit gehörigem Respekt betrachten. So realitätsnah erscheint das Erlebnis. Die Besucher tragen Tracking-Sensoren an Füßen, Händen und einem Helm. Das versetzt sie in eine perfekte Virtual-Reality-Illusion, wie in einem Science-Fiction-Film – in dem sie selbst mitspielen. Rund 1,5 Jahre Entwicklungszeit liegen hinter der Weltneuheit. Viele haben daran mitgewirkt, darunter Marcus Ernst vom Mack-Next LAB, der jedoch betont: „Ohne Michael Mack würde es YULLBE nicht geben.“

Der älteste Sohn (geboren 1978) von Roland Mack führt mit immer neuen Ideen den Europa-Park in eine digitale Zukunft. „YULLBE“ ist dabei nur ein Meilenstein von vielen. So tauchen die Besucher mit dem neuen „Snorri Snorkling“ in der Wasserwelt Rulantica erstmals in eine VR-Erfahrung unter Wasser ab. Über solche virtuellen Spektakel hinaus kreiert der Europa-Park Animations- und Imagefilme, Online-Serien, PC-Spiele, Mobile Games und Apps. „Wer zur Weltspitze gehören will, kommt an der Digitalisierung nicht vorbei“, sagt Michael Mack, der vom Fachmagazin „Die Deutsche Wirtschaft“ zum „Innovator des Jahres 2020“ gewählt wurde.

Der Ausdehnung des Europa-Park in digitale Geschäftsfelder widmet er sich bereits seit zwei Jahrzehnten. Und wie es sich für heutige Wirtschaftsvisionäre gehört, beginnt die Geschichte in einer Garage. Mack brachte einen Imagefilm auf DVD heraus, der erstmals Hintergrundbeiträge aus einem Freizeitpark enthielt und gleich ein Verkaufserfolg wurde. Daraus ist 2002 die Tochterfirma MackMedia hervorgegangen. „Wir haben damals aus der Garage heraus gearbeitet“, erzählt er. Heute produziert MackMedia unter anderem Werbespots sowie Eventfilme und befüllt den parkeigenen You-Tube-Channel mit Beiträgen. Mit dem Animationsfilm „Das Geheimnis von Schloss Balthasar 4D“ wurde 2011 die erste Geschichte mit den Park-Charakteren „Ed und Edda Euromaus“ verfilmt. Als Koproduzent realisierte MackMedia danach unter anderem mit dem Animationsfilmer Holger Tappe den 90-minütigen Kinospaß „Happy Family“, basierend auf dem gleichnamigen Bestseller von David Safier. Tappe drehte zudem die spektakulären Aufnahmen für das größte Flying-Theater Europas – das „Voletarium“. Aus der Zusammenarbeit ist inzwischen mit Mack Animation eine weitere Park-Tochter entstanden, die bereits im November 2021 den nächsten Kinofilm rund um die „Happy Family“ in die Kinos bringt.

Weltweites Potenzial

Außerdem hat Mack Animation mehrere Animationsfilme für VR-Coaster entwickelt – ein weiteres digitales „Baby“ Michael Macks. Der „Alpenexpress Coastiality“ im Europa-Park wurde 2015 zum weltweit ersten VR-Coaster umfunktioniert. Die Besucher fahren mit einer echten Achterbahn durch simulierte Fantasiewelten, müssen jedoch nicht auf Kurven, Fahrtwind und Fliehkraft verzichten. Die Idee stammt von Thomas Wagner, Professor an der Hochschule Kaiserslautern für Virtual Design. Michael Mack hat aber wesentlich dazu beigetragen, dass daraus ein tatsächliches Erlebnis werden konnte.

In Partnerschaft mit dem Europa-Park ist die Firma „VR Coaster“ entstanden, deren Geschäftsführender Gesellschafter Wagner ist. Sie ist Weltmarktführer für diese Attraktionen. Bereits in mehr als 60 Parks weltweit hat sie Fahrgeschäfte damit ausgestattet. Mit der Achterbahn „Eurosat Coastiality“ in der 2018 umgebauten Eurosat-Kugel wurde das VR-Konzept sogar noch erweitert. Bei der ersten „Roam & Ride“-Attraktion der Welt bekommen die Passagiere schon im Wartebereich eine VR-Brille aufgesetzt – und befinden sich sogleich in der virtuellen Realität.

Die von Michael Mack angestoßenen Digitalisierungs-Initiativen schlagen sich zudem in praktischen Service-Angeboten nieder. So kann man seit 2016 mit der Europa-Park-App unter anderem Tickets kaufen und interaktiv durch den Park navigieren. Ziel Macks ist es, eine Art „iTunes“ für VR aufzubauen. Entwickler von außerhalb des Parks sollen eingebunden werden oder mit der Technik des Parks ihre eigenen Ideen entwickeln können

„In meinem Kopf sind noch ganz viele Ideen“, betont der Innovator – auch für „YULLBE“ sieht er ein weltweites Potenzial, etwa als Zusatzattraktion in großen Einkaufszentren. So errichtet die Hamburger Touristenattraktion „Miniatur Wunderland“ bis Ende des Jahres eine erste YULLBE-Installation außerhalb von Rust. Um die kreativen Prozesse noch mehr anzuregen, ist 2018 eine weitere Tochterfirma zur Unternehmensgruppe hinzugekommen: Mack-NeXT. Sie ist Entwicklungslabor und Ideenschmiede. Dafür errichtet die Familie Mack einen neuen Standort in Plobsheim bei Straßburg. „Dort haben wir die nötige Ruhe und Kreativität“, umschreibt Michael Mack. Darüber hinaus hat er noch die Filmproduktionsfirma „2112 Pictures“ gegründet, um den Europa-Park noch mehr im Filmgeschäft zu verankern.

„Storytelling“ im Blut

Ein Schlüsselwort hinter all diesen Aktivitäten ist der Begriff „Storytelling“. Er umschreibt, dass rund um ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Marke spannende Geschichten erzählt werden und daraus eine vertiefte Beziehung zu den Gästen entsteht. „Michael hat das Storytelling quasi im Blut“, lobt sein Vater Roland Mack. „Schon von klein auf war er begeistert von dem Erfinden und Erzählen von Geschichten.“

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„YULLBE GO“ und „YULLBE PRO“

Das Virtual-Reality-Erlebnis „YULLBE“ des Europa-Park lässt sich auf zwei verschiedene Arten ausprobieren. „YULLBE PRO“ ist ein Gruppenerlebnis. Die Gäste werden mit Technik-Rucksack, Hand- und Fußtrackern sowie einem VR-Helm ausgestattet und interagieren dann frei als Avatare in der Gruppe. Es kommt auf Teamwork an. Nur in der Gruppe sind die Herausforderungen zu meistern. Dabei gehen bis zu acht Gäste gemeinsam auf eine spannende Mission rund um die sagenumwobene Insel Rulantica. Michael Mack, Geschäftsführender Gesellschafter des Europa-Park und Gründer von MackNeXT: „YULLBE kann nicht nur Geschichten erzählen, sondern sogar ganze Welten zum Leben erwecken und erlebbar machen. Dieses VR-Erlebnis setzt neue Maßstäbe.“

Mit „YULLBE GO“ haben die Spezialisten MackNeXT und VR Coaster aber auch eine Version für Einzel-Abenteurer entwickelt. Dabei sind die Teilnehmer lediglich mit Virtual-Reality-Brille und Handtracker ausgestattet, um in die virtuelle Welt zu gelangen. So können sie aktuell mit den Helden des Blockbusters „Valerian“ Space-Action erleben oder als VR-Astronaut auf eine Mission von „Moon to Mars“ gehen. Die neue „Yullbe GO“-Experience „ARTiality“ erweckt die Arbeiten abstrakter Künstler wie Hilma af Klint, Piet Mondrian, Ida Kerkovius, Oskar Schlemmer oder Wassily Kandinsky zum Leben. Die Kunst wird so ganz neu erlebbar. Das aufwendige Verfahren macht inzwischen auch Kunst im Kunstmuseum Stuttgart virtuell begehbar. Die Museumsbesucher erhalten 3D-Brille und Kopfhörer und werden zu Tänzern im „Triadischen Ballett“ von Oscar Schlemmer, Begleitern der „Dame in grüner Jacke“ von August Macke oder Beobachtern von Franz Marcs „Blaues Pferd“, das lebensgroß durch den virtuellen Raum galoppiert. In einem ähnlichen Erlebnis können sich Besucher des Europa-Park zusammen mit den Charakteren „Ed & Edda“ auch auf eine VR-Schnitzeljagd durch Deutschlands größten Freizeitpark zur Suche nach einem magischen Zepter begeben.

von Cristoph Ertz

yullbe.com