Lieber Monster als Models

Make-up macht schöner? Nicht wenn Bill Mccoy Hand anlegt. Dennoch hat der US-Amerikaner damit grossen Erfolg - in Hollywood und im Europa-Park.

Wenn er wollte, könnte er die hübsche junge Frau in knapp zwei Minuten in eine strahlende Diva verwandeln – will er aber nicht. „Du siehst scheußlich aus“, strahlt er stattdessen die leichenblasse Geisterbraut im kunstblutbesudelten Kostüm an, die sich gleich unter die übrigen Untoten mischen wird. Beauty oder Beast? Keine Frage, wem Bill McCoy den Vorzug gibt – schließlich zählt der amerikanische Maskenbildner zu den Superstars in Sachen Horror-Make-up und hat mit seinen – wirklich abscheulichen – Kunstwerken zu den Erfolgen zahlreicher internationaler Blockbuster in Sachen Horror lm beigetragen. Wie schon seit nunmehr 13 Jahren hat er sein „Studio“ kurz vor Start der Halloween-Saison für mehrere Wochen im Europa-Park bezogen, um mit einem achtköpfigen Team und literweise Kunstschleim und Latex sowie Spritzpistolen und anderen für den Laien eher rätselhaften Substanzen die Geschöpfe der Unter- und Zwischenwelten zu erschaffen, die die Besucher im Reich „Traumatica“, bereits mehrfach ausgezeichnetem Ereignis des Europa-Park, in wohliges Schaudern versetzen werden.

Nur für den Park

Dass der quirlige Maskenkünstler dem Europa-Park als einzigem Vergnügungspark weltweit exklusiv die Treue hält, liegt nicht zuletzt daran, dass er die Entwicklung der ursprünglichen Horror Nights, an denen der Schauspieler und Sänger Marc Terenzi gemeinsam mit Michael Mack wesentlichen Anteil hatte, zur apokalyptischen „Traumatica“ maßgeblich mitgeprägt hat. Horror ist für ihn keineswegs gleich Horror: „Der amerikanische Horror unterscheidet sich vom europäischen in etwa so, wie europäische Autos von US-Fahrzeugen“, grinst er und wühlt gleichzeitig in einer Kiste mit abgetrennten Gliedmaßen und grünlich schimmernden Schädeln, um ein blutiges Gebiss und einen richtig niedlichen kleinen Werwolf zutage zu fördern. Die „Traumatica“-Story habe sich ständig weiterentwickelt und sei auch hintergründiger geworden. Die Frage, ob sich auch das Latex-Ebenbild eines gewissen amerikanischen Präsidenten unter seinen Grusel-Utensilien befinde, lässt das Gebiss im Totenschädel vergnügt klappern. „Good question – no comment!“

Was bringt einen offensichtlich netten Menschen dazu, sich der apokalyptischen Scheinwelt zu verschreiben? Ein absolut traumatisches Kindheitserlebnis, an das noch die dünnen Narben auf seinem Schädel erinnern, berichtet er. Seine Mutter hatte in einem Anfall geistiger Verwirrung auf den kleinen Jungen mit einem Fleischklopfer eingeschlagen. Während des langen Krankenhausaufenthalts freundete sich Bill besonders mit einem Arzt an, der ihn kurz vor der Entlassung mit in den Geschenkeladen des Krankenhauses einlud. Statt eines Spielzeugs oder Kuscheltiers entschied sich Bill ausgerechnet für ein Horrormagazin, das eigentlich für Erwachsene gedacht war.

Mit einem speziellen Malkasten gelangen ihm die ersten Eigenkreationen, Morticia Addams alias Carolyn Jones‘ düsterer Charme aus der Serie „The Addams Family“ entzückte den Teenager, während seine Freunde ihre Zimmer mit Postern von Supermodels oder Filmstars dekorierten.

Nach einer klassischen Visagistenausbildung gelang der Sprung ins Filmgeschäft in Richtung Horror-Spezialisierung. Aus dieser Zeit stammt übrigens der Kontakt zu Marc Terenzi. „Er kam immer zu spät zum Dreh, in der Maske musste alles blitzschnell gehen, und er sagte immer: Bill, Du bist der Beste und der Schnellste“, erinnert sich McCoy.

Beide Eigenschaften sind während der Halloween-Saison auch im Europa-Park gefragt, denn es gilt, allein für „Traumatica“ 150 Mitwirkende in vier Stunden zu verwandeln. Dass das oft in weniger als einer Minute gelingt, macht auch das von ihm mitentwickelte Airbrush-Verfahren möglich – Make-up per Spritzpistole.

Der größte Unterschied zwischen der Arbeit an einem Filmset und für eine derartige Mammut-Live-Show? „Die heutigen Kameras erfordern Präzisionsarbeit bis in die kleinste Pore“, stellt McCoy klar, „aber dafür kann während des Drehs im Bedarfsfall immer noch mal nachgebessert werden. Hier im Park geht der Darsteller raus in die Show – und das ist es.“ Die Frage nach dem Stressfaktor beantwortet ein breites Lächeln: „Ich kenne keine Probleme. Nur Herausforderungen.“ Zur Belohnung gibt es nach der Anlaufwoche auch mal Ausflüge mit seiner aus München stammenden Frau und dem fünfjährigen Sohn, der sich weniger für Horror als für Robotertechnik begeistert, in die Umgebung. Bill McCoy faszinieren alte Schlösser und Burgen, allerdings nicht wegen möglicher Schlossgeister! „Es gibt keine Gespenster“, meint er – und wenn, wären sie wahrscheinlich weniger perfekt geschminkt. Zum Abschluss verrät er noch sein persönliches Erfolgsrezept: „I love what I do!“