Wieder auf nach Batavia!

Die „Piraten in Batavia“ sind im Europa-Park zurück / hoch modern und doch traditionell

Bitte nochmal fahren! So war es früher schon – und so ist es jetzt wieder. Seit diesem Sommer sind die „Piraten in Batavia“ nach ihrem Wiederaufbau im Europa-Park zurück. Am 26. Mai 2018 waren die Themenfahrt sowie weite Teile des Skandinavischen Themenbereichs durch einen Brand zerstört worden. Jetzt begeistert die Kultbahn ihre vielen Fans wieder wie ehedem. „Die Bahn hat schon bei ihrer Eröffnung 1987 in der ganzen Welt für Furore gesorgt“, erklärt Europa-Park-Chef Roland Mack. „Das war die größte Themenfahrt, die ein europäischer Park damals angeboten hat. 30 Millionen Menschen hatten bis zum Brand Spaß in dieser Anlage.“ Über zwei Jahre ist an der ursprünglichen Stelle im Niederländischen Themenbereich eine neue Halle hochgezogen worden – samt modernster Haustechnik wie Lüftungs- und Sprinkleranlage, Wasseraufbereitung sowie Brandschutz auf dem heutigen Stand.

In ihrem Erscheinungsbild sind die „Piraten 2.0“ sowohl runderneuert und neuzeitlich als auch traditionell und nah am Ursprung. Und wie zu der Zeit vor dem Brand wiederholen etliche Besucher auch heute die Fahrt mit dem Dark-Ride gleich wieder – es gibt einfach zu vieles zu entdecken. Es kommen jede Menge Hightech-Komponenten aus der Unterhaltungstechnik zum Einsatz. Zur Ausstattung gehören eine Vielzahl an Multimedia-effekten, 200 Lautsprecher, etliche Videoprojektoren und Beleuchtungstechnik. Duftmaschinen sorgen sogar dafür, dass die Besucher den Geruch von Kanonenpulver oder Früchten wahrzunehmen glauben. Mehr als 1.000 Menschen haben insgesamt an der Wiederauferstehung der Bahn mitgewirkt, die letzten Arbeiter verließen die Baustelle in der Nacht vor der Eröffnungs-Pressekonferenz Ende Juli.

Noch wichtiger als technische Effekte dürfte aber für viele die ungewöhnliche Verbindung von Tradition und Moderne sein, die die neue Bahn verkörpert. Die ursprünglichen „Piraten in Batavia“ versetzten die Besucher in das 18. Jahrhundert. Während dieser Zeit begann die niederländische Kolonialisierung in Indonesien. Batavia, aus dem die heutige indonesische Hauptstadt Jakarta hervorging, wurde Hauptquartier der Niederländischen Ostindien-Kompanie in Asien.

Der Filmarchitekt und Bühnenbildner Ulrich Damrau (1914- 2007), der als Vater des europäischen Themenkonzepts im Europa-Park gilt, hatte das Batavia im Europa-Park wie eine Filmkulisse inszeniert, durch die die Gäste mit einer vom Mack-eigenen Produktionsbetrieb in Waldkirch entwickelten Wasserbahn fahren konnten. Im Mittelpunkt stand ein Piratenangriff auf die Stadt, daneben spielte sich aber auch eine fast unüberschaubare Fülle von Nebenszenen aus zum Teil derbem Klamauk ab. Mehr als ein Jahr dauerten die Arbeiten damals. Bei einem seiner Besuche auf der Baustelle stürzte Franz Mack (1921-2010) in die Baugrube und brach sich ein Bein. „Später ist Damrau in die gleiche Grube reingefallen und hat sich auch leicht verletzt“, erzählte der Europa-Park- Mitgründer zeitlebens immer wieder schmunzelnd. Von solchen Missgeschicken ließen sich die Macher aber nicht aufhalten. „Damrau hat im Gegensatz zu heutigen Designern noch selbst in der Anlage Hand angelegt“, blickt Roland Mack zurück. „Es war ein Kraftakt, weil wir so etwas vorher noch nie gemacht hatten. Herausgekommen ist ein regelrechtes Storytelling, wie es heute heißt“, sagt er. „Batavia war richtungsweisend für die Freizeitparkindustrie.“

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Viele neue Möglichkeiten zum Geschichtenerzählen

Im früheren Ride begeisterte insbesondere die Atmosphäre einer exotischen Welt wie aus einem Piratenroman. Dieses Gefühl hat die neue Bahn beibehalten – auch bei den Gästen. Darüber hinaus erzählt sie aber noch eine Geschichte. Die modernen Piraten sind angelegt wie ein Hollywood-Blockbuster. Szene für Szene wird ein Drama um den magischen Dolch von Batavia, der auch „Feuertiger“ genannt wird, entrollt. Dafür ist die Halle durch Szenentrennwände unterteilt. „Batavia sollte Batavia bleiben“, betont Michael Mack, Geschäftsführender Gesellschafter des Europa-Park und kreativer Kopf hinter vielen modernen Multimedia-Unternehmungen des Parks. „Aber was wir früher nur durch Architektursprache ausdrücken konnten, lässt sich heute durch viele neue Möglichkeiten, wie etwa digitaler Mittel, als Geschichten auch nach außen tragen.“ So bringt der Europa-Park in Zusammenarbeit mit dem Coppenrath-Verlag nach der bereits erfolgreichen Rulantica-Reihe erneut eine Fantasy-Roman-Reihe heraus. In „Die fliegende Schule der Abenteurer“ geht es um vier Jugendliche, die in der Akademie des „Adventure Club of Europe“ (ACE) zu Abenteurern ausgebildet werden. Im ersten Band „Der Feuertiger von Batavia” verschlägt es auch die Nachwuchsentdecker in den indonesischen Urwald. Der ACE wird als fiktionaler Geheimbund seit 2017 aktiv im Europa-Park inszeniert.

Gäste schippern durch ein Theater

Fixpunkt der neuen „Piraten in Batavia“ ist aber die Figur des Bartholomeus van Robbemond – ein Mann durchaus mit zwielichtigem Ruf. Er beschreibt sich selbst als Freibeuter, Pirat und Entdecker. Das Interessante ist, dass van Robbemond nie das Geld haben wollte, sondern sich vornehmlich auf Relikte und exotische Schätze spezialisiert hat. Sein Hauptrivale ist der spanische Pirat Diablo Cortez, der wie van Robbemond weltweit auf der Suche nach mystischen Artefakten ist. Der „Feuertiger“ soll unverwundbar machen – kein Wunder, dass beide ihn haben wollen. In den aufeinander folgenden Szenen jagen sie sich die Karte zum Dolch von Batavia immer wieder gegenseitig ab. Das Erlebnis beginnt in einer Piratenbar, noch in den Niederlanden des 18. Jahrhunderts. Es wird wild gesungen, Gläser klirren – dann ein Blitz, Donnergrollen, kurz geht es für die Besucher in ihren Booten wie auf einer Wasserrutsche abwärts, schon sind sie in der indonesischen Dschungelwelt, in der grünes Licht auf Bäume und Gewässer schimmert. 

Der Gast schippert wie durch ein Theater, das ihm wieder neue Haupt- und Nebenszenen vorführt. Vor Batavia liefern sich gerade Piraten ein Gefecht, da findet sich van Robbemond gefesselt auf einer Planke wieder. Sie ragt vom gewaltigen Schiff seines Widersachers über das Meer. Gleich stößt ihn der triumphierende Cortez ins tosende Wasser. Aber so kann die Geschichte doch nicht zu Ende gehen ...

Roland Mack als „Mackier“

Um Batavia möglichst echt wirken zu lassen, kommen mehr als 100 Animatronics zum Einsatz – mechanisch, pneumatisch und elektronisch gesteuerte Figuren. „Einige kosten jeweils so viel wie ein kleines Einfamilienhaus“, berichtet Jürgen Mack, Geschäftsführender Gesellschafter Europa-Park. Er hat sich bei einem der Hersteller – Garner Holt Productions – vor Ort in den USA noch vor der Corona-Krise die Fertigung angeschaut. „Computergesteuert sind bis zu 35 Bewegungen möglich, die Programmierung hat jeweils bis zu einer Woche gedauert“, erklärt er. „Neben modernster Technik weisen die Animatronics auch viel Handarbeit auf. Zum Beispiel wurden die Barthaare einzeln mit der Pinzette eingesetzt.“ Als ein besonderer Gag trägt eine der neuen Figuren die Gesichtszüge von Roland Mack, seine Kinder haben das in die Wege geleitet. Gekleidet ist der Spezial-Animatronic wie ein Magier – beziehungsweise wie ein „Mackier“, wie auf der Eröffnungs-Pressekonferenz gescherzt wurde.

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Eröffnet wurden die neu errichteten „Piraten in Batavia“ Ende Juli vom zwölfjährigen Fabian Schütz aus Bayern und der Schweizer Entertainerin und Schlägersängerin Paola („Verstehen Sie Spaß?“ mit Kurt Felix) – beide drückten dafür gemeinsam einen Buzzer. Der Junge hatte der Familie Mack unmittelbar nach dem Unglück 50 Euro aus seinem Sparschwein überwiesen. „Ich sollte jedem ein Eis kaufen, der bei den Lösch- und Aufräumarbeiten geholfen hatte“, ist Roland Mack noch immer gerührt. Der junge Europa-Park-Fan, der mindestens fünfmal im Jahr mit seiner Familie Deutschlands größten Freizeitpark besucht, war aber längst nicht der einzige, der nach dem Großbrand 2018 Betroffenheit und Anteilnahme ausdrückte. „Wir haben viele Briefe bekommen, in denen es hieß: Meine Kindheit ist verbrannt“, so Roland Mack. Für den Wiederaufbau setzte sich außerdem eine Online-Petition mit 15.000 Unterschriften ein. Auch für die Familie Mack sind die „Piraten in Batavia“ mit besonderen Emotionen verbunden. „Der Brand war ein Schock“, sagt Jürgen Mack. „Batavia war und ist neben all den großen Anlagen, die wir haben, einer der Höhepunkte des Europa-Park“, betont Roland Mack. „Man darf nicht vergessen, es kam zu uns schon weit über eine Million Besucher im Jahr, als wir noch gar keine große Achterbahn hatten. Ich bin in so eine Emotion geraten, es war schnell klar, es gibt nur die Rückkehr der Piraten – ich habe mir nicht mal eine Sekunde Zeit für alternative Entwürfe unserer Designer genommen.“

„Bamboe Baai“ - idonesische Spitzenküche 

Schon 1987: Motor für den Tourismus


Daher ist bei den Piraten erneut eine große Liebe zum Detail an den Tag gelegt worden. Dies zeigt sich beispielsweise bei Bereichen, die Thomas Mack, Geschäftsführender Gesellschafter Europa-Park, verantwortet. Der ursprüngliche Soundtrack zu der Fahrt durch die asiatische Dschungelwelt ist vom Komponisten Hendrik Schwarzer mit einem 60-köpfigen Orchester in Berlin modernisiert worden – je nach Szene mal ernst, mal melancholisch, mal fröhlich. Es sind aber auch asiatische Klänge zu hören. „Die haben wir eigens mit originalen Instrumenten in China aufgenommen“, berichtet Thomas Mack. 

Am Ende der Fahrt können die Gäste das aufregende Hin und Her der neuen Piraten im ebenfalls wiederaufgebauten asiatischen Restaurant „Bamboe Baai“ Revue passieren lassen. Auch hier zeigt sich der gewaltige Aufwand hinter dem Wiederaufbau. „Wir haben dafür sogar Original-Möbel und -Dekorationen in Indonesien besorgt“, erklärt Thomas Mack. „Das Bamboe Baai bietet uns schon lange die Möglichkeit, kulinarisch von Europa auch mal wegzugehen. Wir haben unsere typisch asiatischen Speisen etwas überabreitet.“

Die Eröffnung 1987 war vom damaligen Kanzleramtsminister Wolfgang Schäuble vorgenommen worden. „Der Europa-Park ist nicht nur eine Stätte der Erholung und Freizeit, sondern auch ein Wirtschaftsfaktor, von erheblicher Bedeutung für die Arbeitnehmer, die Zulieferfirmen und das gesamte Umland. Er ist ein entscheidender Motor für den Tourismus“, schätzte der Politiker schon damals ein. Inzwischen ist diese Bedeutung noch gewachsen. „Gerade die Corona-Krise hat gezeigt, dass der Europa-Park im Mittelpunkt des baden-württembergischen Tourismus steht und von ihm sehr viele Impulse ins Land gehen“, betonte der heutige baden-württembergische Tourismusminister Guido Wolf bei der Wiedereröffnung. Die neuen Piraten sind für Roland Mack in diesem Zusammenhang aber auch eine Mahnung, niemals die Familien zu vergessen. Batavia ist eine Attraktion vom Baby bis zum über Hundertjährigen – dafür hat der Ride die Freigabe vom TÜV. Und damit sind die neuen Piraten auch ganz im Sinne von Franz Mack, der laut seines Sohnes Roland immer sagte: „Ein Fahrgeschäft ist ein gutes Fahrgeschäft, wenn man aussteigt und gleich wieder einsteigen will.“