Tourismus als starker Wirtschaftsfaktor

emotional pur sprach mit dem Tourismusbeauftragten der Bundesregierung, Staatssekretär Thomas Bareiß: Folgen der Corona-Krise

Wir treffen Sie heute im Europa-Park. Wie schätzen Sie den Europa-Park und auch andere Freizeitparks in Deutschland mit Blick auf die Wertschöpfung für den Tourismus ein?
Thomas Bareiß: Als Baden-Württemberger habe ich den Europa-Park schon als Kind das erste Mal besucht und verfolge seitdem die Entwicklung. Es ist wirklich beeindruckend, was hier geschaffen wurde. Mit fast sechs Millionen Besuchern 2019 ist der Europa-Park der größte Freizeitpark in Deutschland und einer der größten Arbeitgeber der Region. Auch andere Freizeitparks können sich sehen lassen: Insgesamt besuchen rund 32 Millionen Menschen jährlich die über 200 Freizeitparks in Deutschland. Dabei werden rund 975 Millionen Euro Umsatz generiert. Diese Zahlen sprechen für sich: Die deutschen Freizeitparks haben an der Wertschöpfung im Sektor Tourismus einen wichtigen Anteil. Dieses Jahr stellt da natürlich leider eine Ausnahme dar.

Nun hat ja die Corona-Krise gerade Freizeitparks wie den Europa-Park hart getroffen. Von heute auf morgen von 100 auf Null ohne Einnahmen und mit riesigen Verlusten in dreistelliger Millionenhöhe. Wie kann die Bundesregierung helfen? Auch der gesamten Branche?
Bareiß: Die Tourismusbranche ist sehr vielfältig. Die Bundesregierung hat eine Vielzahl von Maßnahmen getroffen, die auch den unterschiedlichen Anforderungen der Tourismusbranche zugute kommen, der große, mittelständische und kleine Unternehmen angehören. Hier setzen wir an vielen Stellen an, wie dem Kurzarbeitergeld, Hilfen für Soloselbstständige, Krediten und Bürgschaften. Außerdem helfen wir der gesamten Wirtschaft mit einem umfangreichen Konjunktur- und Zukunftspaket wieder auf die Beine.

Hat die Bundesregierung aus Ihrer Sicht dem Tourismus effizient geholfen?
Bareiß: Die Tourismusbranche ist von der Corona-Pandemie besonders stark betroffen. Natürlich wünscht man sich immer mehr. Man muss aber auch sehen: Von allen Hilfen, die die Mitgliedstaaten in der Europäischen Union ihren Unternehmen auf nationaler Ebene zukommen lassen, entfällt auf Deutschland fast die Hälfte. Hilfen werden sowohl vom Bund als auch von den Ländern bereitgestellt. Zusammengefasst haben wir enorme Hilfe in sehr kurzer Zeit aufgestellt. Und bei aller notwendigen Hilfe geht es ja auch um Steuergeld. Und damit müssen wir verantwortungsvoll und sparsam umgehen.

Wie ist Ihre Einschätzung: Kann sich der Tourismus in Deutschland in absehbarer Zeit wieder erholen?
Bareiß: Der Tourismus wird sich erholen und ich hoffe, dass er sich schnell erholen wird. Allerdings müssen wir uns daran gewöhnen, in unserer Freizeit und auch im Tourismus den Dreiklang von Verantwortung, Vertrauen und Verständnis zu leben. Damit meine ich, dass wir uns verantwortlich verhalten müssen und beispielsweise bestimmte Hygieneregeln einhalten. Wir müssen auch darauf vertrauen, dass die anderen so umsichtig und rücksichtsvoll agieren wie wir selbst. Und wir müssen Verständnis dafür aufbringen, dass dadurch einige Dinge anders sind. Wenn wir dies verinnerlichen, dann schützen wir unsere Gesundheit und auch die touristische Wirtschaft.

Wo sind generell Synergien zwischen dem Europa-Park und der Ferienregion Schwarzwald?
Bareiß: Viele der Europa-Park-Gäste nutzen weitere touristische Angebote der Region. Dabei profitieren sie von der umfangreichen und von allen Seiten gelebten Kooperation in der Region. Tourismus sichert rund 100.000 direkte Arbeitsplätze und 300.000 Arbeitsplätze in den Zulieferbetrieben in der Ferienregion Schwarzwald. Ganz konkret spiegeln sich Synergieeffekte in der Onlineplattform der Region Europa-Park wider. Besonders spannend finde ich das Überlaufsystem für Hotelkapazitäten. Sind die Hotels des Europa-Park ausgebucht, werden die Buchungsanfragen automatisch auf freie Kapazitäten in der Umgebung gelenkt. So profitieren auch die kleinsten Anbieter vom großen Tourismusmagneten Europa-Park.


Wie wichtig aus wirtschaftlicher Sicht und im Blick auf Arbeitsplätze ist der Tourismus in Deutschland im Vergleich zu anderen Branchen?
Bareiß: Der Tourismus ist ein starker und wichtiger Wirtschaftsfaktor in Deutschland: Tourismus trägt in normalen Zeiten jährlich mit 105 Milliarden Euro zur Bruttowertschöpfung in Deutschland bei, ein Anteil von knapp vier Prozent. Das ist ein höherer Beitrag als ihn der Maschinenbau oder der Einzelhandel leisten. Fast drei Millionen Menschen bietet die Branche einen Arbeitsplatz, 6,8 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland. Nur der Einzelhandel und das Gesundheitswesen haben noch höhere Beschäftigungsanteile. Trotz dieser beachtlichen Zahlen ist die Tourismuswirtschaft aber aufgrund der Struktur und der jeweiligen Einzelthemen als einheitliche Branche häufig weniger sichtbar als andere Wirtschaftsbereiche. Tourismus heißt: Hotels, Reiseveranstalter, Luftfahrtanbieter, Reisebüros, Busunternehmen und Freizeitparks, um nur mal wenige zu nennen. Deshalb ist es mir auch ein persönliches Anliegen, als Tourismusbeauftragter der Bundesregierung, hier für mehr Sichtbarkeit zu werben.

Wie steht Deutschland als Reiseziel im Vergleich zu anderen Ländern da?
Bareiß: Die massiven Beeinträchtigungen durch Corona betreffen den Tourismus weltweit. Hier geraten natürlich auch die Relationen zwischen den Ländern völlig durcheinander. Aber grundsätzlich gilt: Die Tourismusentwicklung in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Im Jahr 2019 hatten wir in Deutschland knapp 495,6 Millionen Übernachtungen. Die Tourismusbranche ist im zehnten Jahr in Folge gewachsen. Menschen kommen gerne nach Deutschland und das ist doch eine wunderbare Botschaft.

Wie wichtig ist der Tourismus für den Mittelstand?
Bareiß: Tourismuspolitik ist immer auch Mittelstandspolitik. Denn die Branche selbst ist durch und durch mittelständisch geprägt. Denken Sie nur an die vielfältige Gastronomie oder Hotellerie. Tourismus schafft zudem auch Chancen für andere Bereiche entlang der touristischen Wertschöpfungskette, darunter das Handwerk und der Einzelhandel. Auch vor diesem Hintergrund hat das Bundeswirtschaftsministerium eine Mittelstandsstrategie vorgelegt. Dabei geht es um Wertschätzung, Entlastung und Stärkung. Die Strategie zielt vor allem auf die Verbesserung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Für die Tourismusbranche besonders relevant ist die Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit, für die ich mich schon lange einsetze. Daneben stehen eine umfassende Unternehmenssteuerreform sowie der Abbau unnötiger Bürokratie – da haben wir mit dem Wegfall der handschriftlichen Meldescheine beim Hotel-Check-in einen schönen Erfolg. Auch die Bekämpfung des Fachkräftemangels ist ein wichtiges Thema.

Wo muss die Bundesregierung aus Ihrer Sicht bei Vorschriften und Regulierungen nachbessern, um die Tourismusentwicklung in Deutschland nicht zu blockieren?
Bareiß: Unsere innovativen und sehr leistungsfähigen touristischen Unternehmen wissen zum großen Teil viel besser als die Politik, wie sie ihr Geschäft erfolgreich betreiben. Sie leiden aber vielfach unter den zunehmenden bürokratischen Lasten. Hier müssen wir den Unternehmen wieder mehr Luft zum Atmen geben. Mit der Möglichkeit eines digitalen Meldeverfahrens hat die Bundesregierung einer langjährigen Forderung des Beherbergungsgewerbes entsprochen. Damit ist schon ein wichtiger Schritt zur bürokratischen Entlastung gelungen. Hier bleiben wir aber nicht stehen, sondern entwickeln aktuell eine nationale Tourismusstrategie, um die Herausforderungen und Bedürfnisse der Branche noch besser zu adressieren. Hierzu führen wir mit allen relevanten Akteuren der Tourismuswirtschaft und Tourismuspolitik Gespräche. Dabei geht es ganz zentral auch um den Wiederaufbau nach Corona.

Wie gelingt es, Tourismus noch stärker im Einklang mit Natur und Umwelt anzubieten?
Bareiß: Der Tourismus ist wie kein anderer Wirtschaftszweig auf den Erhalt einer intakten Umwelt und Natur angewiesen.Und deswegen reagiert die Branche bereits: So gab es dieses Jahr Reiseveranstalter, die für ihre Gäste Kompensationen gekauft haben, zum Beispiel Aufforstungen. Auch der Europa-Park geht hier mit gutem Beispiel voran und zielt auf Nachhaltigkeit. Der jahrhundertealte Baumbestand und die zahlreichen Grünflächen unterscheiden ihn von vielen anderen Freizeitparks. Gleichzeitig lebt der Tourismus von einer grenzenlosen Mobilität. Sie verursacht übrigens dieses Jahr aufgrund von Corona weitaus weniger Emissionen als sonst. Insgesamt haben wir das Ziel, im Verkehrsbereich mehr erneuerbare Energien einzusetzen. Wir müssen dies aber mit Augenmaß tun und dabei für verschiedene Technologien offen bleiben.

Was gefällt Ihnen im Europa-Park?
Bareiß: Den Europa-Park zeichnet die Vielseitigkeit seiner Attraktionen aus. Hier findet sich für jeden etwas, das macht den Europa-Park zu einem tollen Ausflugsziel für Familien. Und wenn beispielsweise die Oma keine Lust auf Achterbahnen oder Riesenrad hat, dann kann sie es sich in einem der Cafés gemütlich machen und dem Treiben zuschauen. Unschlagbar ist natürlich auch die Nähe zum Schwarzwald und zum Elsass, zu Freiburg und Straßburg. Hier findet man alles: Unterhaltung, Natur, Architektur, Kultur und gutes Essen. Darüber hinaus bin ich auch beeindruckt von der Unternehmerfamilie Mack, die immer wieder mit großer Leidenschaft, gemeinsam mit den Mitarbeitern, und über Generationen hinweg, dem Park einen ganz besonderen Charakter gibt. Derzeit merken wir, wie wenig selbstverständlich es ist, all dies unbeschwert zu genießen.

Gibt es eine Lieblingsattraktion?
Bareiß: Der Europa-Park überrascht immer wieder durch neue Attraktionen. Deshalb ist es schwer, sich für eine Attraktion zu entscheiden. Nachdem ich im politischen Berlin auch Achterbahn fahren muss, darf es auch manchmal im Europa-Park eine echte Achterbahn wie der Silver Star sein.

von Horst Koppelstätter