Ich sehe keine Grenzen

Gespräch mit dem französischen Honorarkonsul und Europa-Park-Geschäftsführer Michael Mack zur deutsch-französischen Freundschaft nach der Corona-Krise

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Wie lassen sich die Wunden in der deutsch-französischen Freundschaft heilen, die in der Corona-Krise beispielsweise durch die Grenzschließungen entstanden sind?
Michael Mack: Wir müssen Orte der Begegnung schaffen. Nur beim persönlichen Treffen lässt sich wieder Vertrauen aufbauen. Dazu können wir als Europa-Park einiges beitragen. Zeit miteinander verbringen! Das geht nicht über Telefon oder Video.

Michael Mack, Emmanuel Macron, Staatspräsident von Frankreich, und Roland Mack.

Was ist falsch gelaufen?
Mack: Wie schnell Selbstverständlichkeiten sich verändern oder gar ganz verschwinden, mussten wir in den vergangenen Monaten erleben. Um die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen, entstanden plötzlich wieder Grenzen, die wir längst für überwunden hielten. Ich kritisiere dabei keinesfalls die sinnvollen und – wie wir jetzt sehen – auch richtigen Maßnahmen zu unser aller Schutz. Aber wenn plötzlich europäische Werte auf den Kopf gestellt werden, sorgt das für Verwirrung und Unverständnis. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte dazu treffend in Brüssel: „Eine Pandemie darf nie Vorwand sein, um demokratische Prinzipien auszuhebeln.“
Uns geht es gut, wenn es unseren Mitmenschen gut geht. Und Deutschland geht es gut, wenn es Frankreich gut geht. Kein Land kann solch eine Krise allein überstehen. Das schaffen wir nur gemeinsam. Ein tolerantes und offenes Europa, eine starke und offene Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich. Für uns und für unsere Kinder. Besonders die Jungen sind gewachsene Europäer der Herzen.

Es gab ja berührende Momente über die Grenzen hinweg in der Corona-Krise ...
Mack: ... ich möchte als Honorarkonsul Frankreichs den Pflegekräften und Ärzten in den Krankenhäusern auf beiden Seiten für den unermüdlichen Einsatz danken. Es war ein besonderes Zeichen der Freundschaft und Brüderlichkeit, dass Deutschland etliche französische Bürger in den Intensivstationen aufgenommen hat. 140 schwerstkranke Elsässer wurden zur Behandlung nach Baden-Württemberg gebracht. Einer von ihnen war Jean-Michel Marsal. Eine berührende, äußerst emotionale Geschichte. Erst gestern habe ich mit ihm gesprochen. Er war der erste französische Patient mit dem Covid-19-Virus, der nach Deutschland ausgeflogen wurde. Im Krankenhaus von Mulhouse war sein Sauerstoffgehalt so niedrig, dass er das Bewusstsein verlor. Nachdem keine Beatmungsgeräte mehr vorhanden waren, wurde er in das Universitätsklinikum Freiburg geflogen. Er hat überlebt. Gott sei Dank. Jean-Michel Marsal hat sich im Anschluss an seine Behandlung mit einer äußerst emotionalen Videobotschaft bei mir gemeldet, wo er allen Akteuren der deutsch-französischen Freundschaft dankt. „Ohne die deutsch-französische Freundschaft wäre ich heute nicht mehr hier“. Ein Satz mit großer Strahlkraft und Bedeutung für unsere gemeinsame Zukunft.

Warum ist die deutsch-französische Achse überhaupt für das gesamte Gefüge Europas von zentraler Bedeutung?
Mack: Die deutsch-französische Freundschaft ist ein „atmender Prozess“, ein Projekt, das seit Jahrzehnten stetig wächst. Wenn wir über die europäischen Außengrenzen blicken, dann erkennen wir sehr schnell, welche Chance und welche Errungenschaft wir mit der Europäischen Union gemeinsam haben. Die deutsch-französische Freundschaft ist ein ganz wesentlicher, ein signifikanter Baustein in diesem Fundament, gerade mit Blick auf die Historie beider Länder.
Oftmals ergänzen sich ja unterschiedliche Pole. Die Deutschen und die Franzosen sind ja in vielen Punkten komplett verschieden. Wir Deutsche nehmen alles super genau und sind überpünktlich, die Franzosen haben eher das Motto „Laissez-faire“ und sehen das lockerer. Zusammen ist das eine gute Mischung. Wir müssen das Beste aus beiden Kulturen herausziehen. Das lässt sich dann auf ganz Europa übertragen: Wenn Deutschland und Frankreich sich nicht verstehen, funktioniert auch Europa nicht.

Was haben Sie persönlich von den französischen Freunden gelernt?
Mack: Auch mal Fünfe gerade sein lassen, Lebensfreude, Gelassenheit. Aber auch das Zusammenkommen, der Zusammenhalt und einfach Zeit gemeinsam verbringen. Das leben die Franzosen. Bei den Deutschen muss es immer einen Grund haben ...

Wie lebt der Europa-Park Deutschland-Frankreich?
Mack: Das ist für uns sehr wichtig. Wir haben über tausend Mitarbeiter aus Frankreich, wir haben jährlich rund 1,2 Millionen Besucher aus Frankreich. Die deutsch-französische Freundschaft wird bei uns wirklich tagtäglich gelebt. Getragen und geprägt von vielen großartigen Menschen – Beispiele sind auch die verstorbenen Émile Jung als Drei-Sterne-Koch und der Künstler Tomi Ungerer. Wir pflegen viele enge Freundschaften zu Politikern, Wirtschaftsleuten, Künstlern, Musikern, Hoteliers oder Köchen im Elsass und im gesamten Frankreich. Ein großer Teil unserer wichtigsten Mitarbeiter ist aus dem nahen Elsass. Joseph Rey, der Bürgermeister von Colmar, sagte beim Blick vom Eurotower im Europa-Park: „Von hier sehe ich keine Grenzen.“ Das ist der Geist der Freundschaft. Wir gehen gemeinsam durch schöne, aber auch durch schwierige Zeiten.

von Horst Koppelstätter