Auf Tuchfühlung

Falkner Axel Haas ist fast täglich ausgebucht

Einen Falken erkennt man am schwarzen Strich unter seinen Augen, erzählt Axel Haas und hält das wunderschöne Exemplar eines Turmfalken ins Publikum. „Man nennt ihn Falkenbart.“ Ein langer Bart ist auch das Markenzeichen des gut gelaunten Falkners, bei dem gerade eine Schar von Kindern und eine Gruppe Erwachsener in die faszinierende Welt der Greifvögel eintaucht. Selbst die unruhigen Viertklässler spitzen aufmerksam die Ohren. Der Reihe nach schlüpfen die Besucher in einen großen Lederhandschuh, eines der wichtigsten Utensilien eines Falkners und gleichzeitig Landeplatz für die Vögel. Jetzt kann jeder einmal Auge in Auge den prächtigen Falken ganz aus der Nähe sehen, der mit einem kleinen Stückchen Fleisch angelockt wird. Punktgenau landet er auf dem Arm, schnappt seine kleine Belohnung und fliegt weiter. Um zu demonstrieren, wie ein „Sakerfalke“ auf Beutejagd geht, lässt Axel Haas ein Federspiel an einem Seil durch die Luft kreisen. Die „Beute“ fest im Blick dreht der Falke erst ein paar Runden über dem Gelände. Dann lässt der Falkner das Seil los und der Vogel schießt blitzschnell kopfüber auf die Beute zu. „Vögel können eine Beute auf drei Kilometer Entfernung erkennen“, sagt der Falkner und holt eine Belohnung aus seiner Tasche, schließlich war das Federspiel nur eine Attrappe.

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„Habt ihr schon mal Vögel mit Ohren gesehen?“

„Viele Greifvögel nisten auf Bäumen, Felsvorsprüngen oder in offenen Türmen“, erklärt Axel. „Der Wüstenbussard ist etwas ganz Besonderes, denn er jagt in der Kompanie und ist ein Grifftöter.“ Kollegin Tanja steht schon mit einem Wüstenbussard bereit. Wieder das gleiche Spiel mit dem Handschuh, die Landung des wesentlich größeren Bussards fällt allerdings auch deutlich kraftvoller aus. Woran man einen Uhu erkennt, will der Falkner später wissen. „An den Ohren“, ruft ein Kind und meint die beiden Federpuschel auf dem Kopf. „Habt Ihr schon mal Vögel mit Ohren gesehen?“, ruft Axel über den Platz und erkärt, dass auch die Größe und die orangefarbenen Augen zu den Erkennungsmerkmalen eines Uhus gehören, genauso wie der lautlose Flug. Den Uhu dürfen die Besucher sogar anfassen, aber nur an einer ganz bestimmten Stelle am Bauch. „Ist der nicht kitzlig?“, fragt ein Mädchen. Falknerin Tanja schüttelt den Kopf. Auf ihrem Arm fühlt er sich sicher. Nach einem Defilée von Uhu, Bussard und Falke ist eine Schnee-Eule an der Reihe. Der hübsche weiße Mann verzichtet allerdings auf eine Flugshow, die Hitze und die anwesenden Krähen am Himmel sind gerade nicht in seinem Sinn.

Seit 25 Jahren arbeitet Axel Haas als Falkner. 2009 hat er sich selbstständig gemacht. Sein Wunsch war von Anfang an, nicht nur mit einigen wenigen Gleichgesinnten unter sich zu sein, sondern ein größeres Publikum für die Faszination der Greifvögel zu interessieren. Er kaufte einen Uhu und trainierte ihn. Nach und nach entstanden dann kleinere Veranstaltungen, Vorführungen, zum Beispiel auf Geburtstagen und bei Ferienprogrammen für Kinder. Unterstützung kam unter anderem vom Ruster Bürgermeister, dem die Idee von Anfang an gut gefiel. Mittlerweile hat Haas 21 Vögel in seiner Falknerei, die er gemeinsam mit Falknerin Tanja Beisert führt. Darunter sind auch Schleiereulen, Wander- und Turmfalken. Steinkäuze und Wüstenbussarde züchtet Haas selbst. Die Veranstaltungen sind meist ausgebucht. „Es gibt viele Besucher, die eine Kanufahrt auf der Elz mit einem Besuch bei uns in der Falknerei verbinden“, erzählt der Falkner. Mehr als 50 Personen auf einmal möchte er allerdings nicht. „Unpersönliche Massenveranstaltungen sind nicht mein Ding“, sagt er.

Auge in Auge mit den Königen der Lüfte

Die unfreiwillige Showeinlage von Steinkauz „Bergelmir“ passt gut ins lockere und unterhaltsame Programm. Indem der Winzling alles Gelernte ignoriert und die Flugkommandos der beiden Falkner einfach überhört, bringt er die Kinder zum Lachen. „Der muss was aushalten“, verkündet Axel gegen Ende der Veranstaltung, während er sich einen noch größeren Handschuh aus doppelt verstärktem Nubukleder überstreift. Als Tanja mit einem fünf Kilo schweren Seeadler auf dem Arm durch das Tor kommt, halten alle den Atem an. „Den größten europäischen Greifvogel so aus der Nähe zu sehen, ist mindestens genauso faszinierend und atemberaubend wie eine Achterbahnfahrt nebenan“, so die Meinung eines Besuchers nach der Veranstaltung. „Die Schnabelform eines Vogels verrät, was er frisst“, klärt Haas auf. Die Besucher ahnen schon, dass der Seeadler mit seinem großen, stark nach unten gebogenen Schnabel größere Kaliber, wie Gänse, Möwen und große Fische, auf dem Speiseplan hat. Man erfährt außerdem, dass der Adler meist in großen Bäumen nistet und sein Nest bis zu 600 Kilo schwer werden kann.

„Und warum fliegen die Tiere nicht weg?“, will jemand aus dem Publikum wissen. „Weil es ihnen bei uns gefällt“, sagt Axel Haas. „Sie sind froh, denn „draußen“ haben sie oft nur Stress. Wir haben einmal einen Bussard in Freiburg ausgewildert. Nach ein paar Tagen war er wieder hier. Wir sind ein absolutes Dreamteam“, sagt Tausendsassa Haas, der am liebsten den ganzen Tag in der Natur unterwegs ist und vor einiger Zeit eine schwere Herz-OP gut überstanden hat. Und damit meint er nicht nur sich und seine Falkner-Kollegin Tanja, sondern auch die Vögel. Und es stimmt, sie alle sind ein harmonisch eingespieltes und eingeschworenes Team.

von Ariane Lindemann