Fernsehlegende und Menschenfreund

Thomas Gottschalk erhält Preis für sein Lebenswerk beim »Radio Regenbogen Award« // Laudator Günther Jauch

Es gibt zwei Momente, die Gottschalks Leben, medial betrachtet, veränderten: zum einen ist da der 26. September 1987. An diesem Samstag Abend begrüßte er zum ersten Mal die „Wetten, dass..?“-Zuschauer. Ingesamt 151 Mal kam er, in immer wieder überraschender Garderobe, die Showtreppe hinunter. Damit nicht genug: 1992 wagt er sich an die erste deutsche Legende Thomas Gottschalk Latenight-Sendung und kürt im selben Jahr eine recht schlagfertige und sehr adrett wirkende Brünette aus Bergisch-Gladbach zum „Model 92“: Heidi Klum.

Dem einsetzenden Medienrummel um seine Person entgeht Gottschalk, indem er Anfang der 1990er Jahre mit Ehefrau Thea und seinen Söhnen Roman und Tristan nach Kalifornien auswandert und den Kindern so eine Jugend fernab der Boulevardpresse ermöglicht. Für seine Shows nimmt er die Langstreckenflüge gerne auf sich: „Gottschalks-Hausparty“, „Gottschalk kommt“, „Gottschalk zieht ein“, „Gottschalk & Friends“. Sein Name als Quotengarant. Sein Langzeit-Werbedeal (260 TV-Spots) mit Haribo bringt ihn ins „Guiness Buch der Rekorde“. Die FAZ schreibt über Gottschalk: „Dieser Mann hat im Showgeschäft alles erreicht, beweisen muss er sich längst nicht mehr.“

"Bis heute lösen traurige Menschen bei mir den Bespaßungsreflex aus.“
Thomas Gottschalk

Sein extravaganter Modegeschmack ist legendär, aber dieser Anblick überraschte selbst die 1.500 geladenen Gäste des „Radio Regenbogen“-Awards und vor allem seinen Freund und Laudator Günther Jauch: Für sein Lebenswerk mit dem „Ehrenaward 2015“ ausgezeichnet, präsentierte sich Thomas Gottschalk oben herum noch im edlen Sakko-Zwirn, offenbarte darunter jedoch neben feschen Shorts einen Thrombosestrumpf, der im roten Turnschuh steckte. Für seine Schlagfertigkeit bekannt, schickte der Talkmaster gleich gekonnt hinterher: „Ich bin jetzt Werbeträger von Thrombose-Strümpfen. Und das ist mein erster Auftritt.“

Zu diesem Zeitpunkt befand sich Thomas Gottschalk natürlich nicht im Confertainment Center des Europa-Park, sondern in einer Klinik an der Monteglasstraße in München, von wo aus er sich via Live-Schalte meldete. In Folge einer Knie-Operation, die aus einem Sturz in Jerusalem resultierte, hatten die Ärzte ihrem prominenten Patienten striktes Reiseverbot erteilt. Gottschalk, trotz seiner unglücklichen Lage natürlich nicht um Worte verlegen, kommentierte seine missliche Lage halb im Scherz: „Wenn man den Preis für das Lebenswerk erhält, zuckt man schon kurz zusammen. Und wenn man dann nur in der Lage ist, diesen auf Krücken entgegen zu nehmen, dann ist das schon bitter.“

Schon lange Freunde: Gottschalk und Jauch.

Günther Jauch, der derweil im Europa-Park die Video-Live-Schaltung von Rust nach München pointenreich moderierte, plauderte aus dem Nähkästchen und erzählte dem Publikum von seiner ersten Begegnung mit Thomas Gottschalk: Es war in München, im Jahr 1976. Student Jauch lauschte in seinem VW-Käfer dem „Bayerischen Rundfunk“, als er plötzlich eine Stimme vernahm. Sie trug auf so hintergründige und witzige Weise, zudem mit unverkennbarer Anarchie im Ton, Pegelstände und Pollenflugberichte vor, dass Günther Jauch fortan immer, auch wenn er sein Ziel längst erreicht hatte, in seinem Auto sitzen blieb, bis Thomas Gottschalk seine Beiträge beendet hatte. „Das war eine akustische Revolution. Etwas völlig Neues“, bringt es Jauch auf den Punkt und ergänzt: „Thomas, Du bist mir in 40 Jahren immer ein treuer Freund geblieben.“

Seit rund vier Jahrzehnten prägte niemand die Fernsehlandschaft so nachhaltig wie der große Blonde (1,92 Meter!): Als Thomas Johannes Gottschalk am 18. Mai 1950 in Bamberg geboren wurde, wuchs er mit zwei Geschwistern im fränkischen Kulmbach auf. Nach dem frühen Tod des Vaters sah sich der Entertainer in der Verantwortung für seine Familie. Diese fand er unter anderem auf der humoristischen Ebene. In seiner Autobiographie „Herbstblond“ schreibt er: „Meine Mutter tat mir leid, und ich versuchte, sie aufzuheitern, statt selbst Trübsal zu blasen. Bis heute lösen traurige Menschen bei mir den Bespaßungsreflex aus.“

Für sein Germanistik- und Geschichte-auf-Lehramt-Studium zog es Thomas Gottschalk nach München. Das Studium schloss er ab, wechselte aber statt ins Klassenzimmer vor das Mikrofon des „Bayerischen Rundfunks“, später holte Frank Elstner ihn zu „Radio Luxemburg“. Die Fernsehzuschauer bekamen Gottschalks Gesicht erstmals in der Musikclip-Sendung „Pop Stop“ zu sehen. Wirklich bekannt wurde er mit seiner ZDF-Sendung „Na sowas!“, die ihm 1986 seine erste „Goldene Kamera“ einbrachte.

Sucht man nach dem Erfolgsgeheimnis von Thomas Gottschalk, könnte man dieses mit seiner Authentizität erklären. Europa-Park-Chef Roland Mack: „Wer sich selbst bleibt, auch wenn die Kamera angeht, der hat den Erfolg auf seiner Seite. Der Fernsehzuschauer hat ein sehr gutes Gespür dafür, ob ein Entertainer wirklich so ist, wie er wirkt. Thomas Gottschalk hat Fernsehgeschichte im Unterhaltungsbereich geschrieben, wie kaum ein anderer. Ein Erfolgsgeheimnis ist seine unglaubliche Spontaneität. Er kann in sekundenschnelle auf unterschiedlichste Menschen eingehen. Seine freche Schnauze macht ihn spritzig und unterhaltsam. Und: Thomas Gottschalk ist immer für eine Überraschung gut.“

"Thomas Gottschalk ist immer für eine Überraschung gut.“
Roland Mack

Aber da gibt es noch diesen anderen Moment, der Gottschalks Leben ebenfalls veränderte, der 4. Dezember 2010. In der Live-Sendung verunglückte Wettkandidat Samuel Koch bei einem Stelzensprung über ein fahrendes Auto. Gottschalk zieht persönliche Konsequenzen, erklärt dem Publikum: „Ich kann nicht weitermachen, als wäre nichts passiert. Für mich liegt auf dieser Show ein Schatten, der es mir schwer machen würde, jemals wieder zu der guten Laune zurückzufinden, die Sie zu Recht von mir erwarten“ und übergibt die Moderation an Markus Lanz.

Doch der Menschel-Moderator kann nicht ohne sein Publikum. Seit seinem „Wetten, dass..?“-Rücktritt moderierte Gottschalk die ARD-Show „Gottschalk live“, war Juror bei „Das Supertalent“ und er tritt regelmäßig mit Günther Jauch als „Die 2 – Gottschalk & Jauch gegen ALLE“ an. Im Juni feierte er zudem sein alleiniges Comeback mit der Infotainment-Sendung „Mensch Gottschalk – Das bewegt Deutschland“.

Gottschalk kann aber auch nachdenklich. Trotz aller Fernseherfolge gestand er im vergangenen Jahr in einer Schweizer Talkshow: „Den Punkt, an dem ich als Held hätte abtreten können, habe ich verpasst.“ Dabei übersieht er, dass er für sehr viele Menschen bereits so etwas wie ein Held geworden ist...

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Pia Hart