Der mit dem Fuchs tanzt

Begegnung mit dem Schwarzwälder Naturfotografen Klaus Echle

Warum taucht der Fuchs so oft in Ihren Motiven auf?
Klaus Echle: In meinen Augen ist der Fuchs ein sehr schönes Tier, er ist charismatisch, aber auch umstritten. In der Literatur hat der Fuchs fast nie eine positive Stellung. Bei vielen Menschen gibt es Ängste vor dem Fuchs, das reicht von der Tollwut bis zum Fuchsbandwurm. Für mich ist der Fuchs ein faszinierendes Tier. Jeder, der schon mal junge Füchse beim Spielen gesehen hat, ist davon ergriffen. Dieser Zwiespalt ist sehr spannend. Vielleicht kann ich zu einem etwas besseren Image des Fuchses beitragen.

Es gibt ein Foto, das zeigt, wie Sie hinter der Kamera am Boden liegen und gespannt beobachten. Hinter Ihnen steht ein Fuchs, der scheinbar ebenso neugierig schaut, was Sie da eigentlich tun. Ist das eine Montage?
Echle: Das ist natürlich keine Montage. Das war 2010, da hatte ich so etwas wie eine Affäre mit einer Füchsin. Ich hatte eine junge Füchsin ein halbes Jahr begleitet. Sie wurde am Schluss so vertraut mit mir, dass ich sehr nah an sie herangekommen bin. Dennoch blieb sie anderen Menschen gegenüber extrem scheu …

… das heißt, Sie haben die Füchsin sehr früh getroffen und es ist so etwas wie eine Prägung entstanden…?
Echle: … ja, es war eine persönliche Bindung, auf mich fixiert.

… aber wie hat sich die Füchsin später wieder allein zurecht gefunden?
Echle: Das war kein Problem. Es war ja mein Anliegen, dass der Fuchs selbstständig bleibt und selbst jagen musste. Leckereien, die ich mitgebracht habe, sollten also eher nur ein kleines Dessert sein und nicht mehr. Wir haben auch ein Buch darüber geschrieben: „Fuchs ganz nah“. Es ist im BLV-Verlag erschienen und ist sehr erfolgreich.

Welche Eigenschaften braucht ein erfolgreicher Tierfotograf?
Echle: Eine gewisse Verrücktheit gehört dazu, Leidenschaft und viel Geduld. Der Naturfotograf ist ja fast ständig draußen. Und man will immer besser werden. Das ist wie bei einem Sportler. Eigentlich bin ich eher unruhig und ungeduldig, aber beim Fotografieren habe ich das nötige Sitzfleisch.

Wenn Sie bei schlechtem Wetter unterwegs sind und vergeblich warten, verfluchen Sie dann Ihre Leidenschaft nicht manchmal?
Echle: Der Vorteil ist, man kommt ja schnell wieder in die Wärme, selbst wenn es nass und kalt sein sollte beim Fotografieren. Es ist ja nur eine begrenzte Zeit. Ich genieße es, auch bei schlechtem Wetter, ja, bei richtig starkem Regen, draußen zu sein. Dann entstehen auch faszinierende Fotos. Und ich erlebe Dinge, die es sonst bei schönem Wetter nicht gibt.

Wie gelingt es, den Tieren sehr nahe zu kommen und sie dennoch nicht ernsthaft zu stören?
Echle: Grundsätzlich beschäftige ich mich sehr viel mit Biologie. Wenn ich an eine Tierart fotografisch rangehe, muss ich zuvor sehr viel darüber wissen. Ich lese sehr viel. Dann ist es zunächst eine Annäherung ohne Fotoapparat. Manche Tiere sind vertrauter als die anderen. Ich muss die Grenze herausfinden: Wie nah kann ich ran? Natürlich setzen wir auch mal Hilfsmittel ein wie Lichtschranken, Fernauslöser oder Tarnverstecke. Aber Kameras sind auch laut und ein Störfaktor. Letztlich steht immer das Tierwohl im Vordergrund.

Was ist das für ein Gefühl, wenn Ihnen ein toller „Fotoschuss“ gelingt? Merken Sie sofort, das ist jetzt ein ganz besonderes Bild?
Echle: Das ist unterschiedlich. Wobei, ich komme fast immer nach Hause und sage, heute habe ich die besten Fotos gemacht. Das ist sehr emotional. Manchmal spüre ich sofort, das ist ein super Bild, aber oft braucht es auch eine gewisse Zeit, um das zu erkennen. Es kann aber auch sein, dass ein Foto nach vier Wochen, wenn die Emotionen weg sind, an Wirkung verliert. Naturfotografie ist immer mit Adrenalin verbunden, auch wenn gar kein Foto zustande kommt. Wenn ein Tier auftaucht, ist das immer etwas Besonderes.

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Sie waren ursprünglich Koch und haben dann Forstwirtschaft studiert. Ist Förster ein Traumberuf?
Echle: Ja, absolut. Das ist auch eine Berufung. Ich genieße es, draußen zu sein. Wir arbeiten auch täglich mit dem Produkt Holz.

Was fasziniert Sie an unserer heimischen Landschaft im Schwarzwald? Sie sind ja viel gereist und haben viel gesehen.
Echle: Unsere Natur wird unterschätzt. Wir haben eine unglaublich schöne Landschaft hier im Schwarzwald. Ich war schon in den tropischen Regenwäldern. Das sind wunderbare Landschaften mit einzigartigen Ökosystemen, aber über den Schwarzwald lasse ich nichts kommen. Wir haben vier Jahreszeiten bei uns. Unsere Natur ist weltweit unvergleichlich, wir müssen das nur entdecken.

Also nach dem Motto „Der Prophet gilt nichts im eigenen Lande“. Wie würden Sie denn das ganz Besondere am Schwarzwald beschreiben?
Echle: Man muss in alles eintauchen. Es ist vor allem der Wald, es sind Tannenwälder, die es in dieser Prägung sonst eigentlich nirgendwo gibt. Die Weißtanne ist der klassische Baum des Schwarzwaldes, mit sehr vielfältigen Waldgesellschaften. Ein Beispiel sind die bäuerlichen Plenterwälder. Das sind große und kleine Bäume nebeneinander, wie eine Großfamilie unter einem Dach. Bei diesen Wäldern leben auch mehrere Generationen in einem engen Gebiet zusammen. Es gibt auch andere Tierpopulationen. Bei uns ist es beispielsweise der Auerhahn, der ein Kulturgut unserer Landschaft ist. Nirgendwo in Deutschland gibt es so viele Auerhähne wie im Schwarzwald. Hier gibt es noch viele Tiere. Die brauchen einen ganz bestimmten Wald. Es ist unglaublich reizvoll im Schwarzwald. Der Wald ist oftmals unterbrochen von offener Landschaft und bäuerlicher Landwirtschaft, das ist sagenhaft schön.

Also sind die vielen Tannen nicht eintönig?
Echle: Nein, wer genau hinschaut, entdeckt diese unglaubliche Vielfalt. Wir haben auch eine andere ganz besondere Geologie. Im Nordschwarzwald sind es eher nährstoffarme Böden, im Süden dagegen extrem nährstoffreiche, auch das ist ein Auslöser für eine große Vielfalt. Anders als in vielen Regionen in Deutschland. Im Nordschwarzwald ist es überwiegend Buntsandstein, dazwischen Granit, und im Südschwarzwald Gneis. Teilweise gibt es auch Vulkangestein mit Lössauflagen.

Wie sorgsam – oder auch nicht – gehen wir heute mit der Natur um? Spüren Sie ein Umdenken?
Echle: Es gibt viele Verbesserungen. Beispielsweise in der Forstwirtschaft kommt man vollkommen vom Einsatz von Pestiziden ab. Wir werden bewusster und naturnäher. Das ist keine Frage. Ich sehe aber mit Sorge, dass wir einen fast unaufhaltsamen Flächenfraß haben. Da gibt es auch einen Egoismus im Blick auf die Natur.

Hier muss jeder für sich persönlich seine Linie finden. Ich war 2002 zum letzten Mal auf einer großen Reise. Da bin ich zurückgekommen und habe mir vorgenommen, nicht mehr zu reisen, auch nicht als Fotograf. Gerade als Fotograf habe ich die Möglichkeit, die Natur hier zu zeigen. Ich will einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Das habe ich lange durchgehalten. Ich will natürlich nicht ein Leben lang auf Reisen verzichten. Das bildet ja auch. Aber im Blick auf die Rücksicht unserer Lebensräume muss jeder selbst handeln und nicht darauf warten, dass es die anderen für einen erledigen.

Und wie verändert sich das Bewusstsein?
Echle: Das ist wirklich eine schwierige Güterabwägung. Viele Städte in unserer Region wachsen sehr stark. Da werden guter Wohnraum gebraucht und neue Arbeitsplätze. Es ist eine schwierige Abwägung mit dem Naturschutz. Man kann sich da nicht auf eine Seite schlagen. Es geht um Kompromisse und die sind schwierig. Jeder muss bei sich selbst anfangen. Es gibt einen neuen Heimatgedanken in der Gesellschaft. Die Wertschätzung für unsere Natur ist unglaublich gewachsen. Dazu kann ich auch als Fotograf ein wenig beitragen. Wie schön ist es bei uns. Wir müssen nicht nach Afrika oder sonst wohin reisen, um herrliche Natur zu erleben. Ich kann nur sagen, wenn wir genau hinschauen, werden wir staunen über das Wunder unserer Natur im Schwarzwald.

Klaus Echle,
geboren 1964 in Oberwolfach, Schwarzwald. Von 1979 bis 1988 Ausbildung und verschiedene Anstellungen als Koch mit dem Ziel, später den elterlichen Gaststättenbetrieb zu übernehmen. Von 1988 bis 1994 jedoch Weiterbildung und Studium zum Dipl. Ing. FH Forstwirtschaft, bekannter als „Förster“. 1994 bis 2002 Revierleiter im Staatlichen Forstamt Alpirsbach. Seit 2002 Revierleiter im Städtischen Forstamt Freiburg, Revier Günterstal. Die Fotografie betreibt Klaus Echle bereits seit der Jugend. Anfänglich mit Schwarz-Weiß-Aufnahmen und überwiegend Landschaftsmotiven und Reisefotografie. Schon während des Studiums ist er im Naturschutz, besonders im Fledermausschutz, aktiv. Hier kamen oft Anfragen für Vorträge, die mit ausgeliehenen Bildern stattfinden mussten. Seit 1996 von der Naturfotografie ernsthaft „infiziert“. Sein Schwerpunkt: Verhaltensweisen und ökologische Zusammenhänge ästhetisch und künstlerisch darzustellen. Hierbei liegt ihm die heimische Natur besonders am Herzen. 2002 als Vollmitglied in die Gesellschaft deutscher Tierfotografen (GDT) aufgenommen. Preise beziehungsweise Highlights bei verschiedenen Fotowettbewerben wie „Glanzlichter“, „BBC Wildlife Photographer of the Year“ und bei vielen anderen. 2003 „Europäischer Naturfotograf der Jahres“ (ENJ).
www.echle-naturfoto.de