Ein riesiges Privileg

Oberst Christoph Graf - Kommandant der Päpstlichen Schweizergarde

Während eines Besuchs des Europa-Park: Gespräch mit dem Kommandanten der Päpstlichen Schweizergarde, Oberst Christoph Graf, über Papst Franziskus, die Ausbildung der Schweizergardisten und wie im Europa-Park selbst Erwachsene wieder zum Kind werden

Wie ist eigentlich im 16. Jahrhundert die Auswahl auf die Schweizer gefallen, den Papst und den Vatikan zu schützen?
Christoph Graf: Im Mittelalter verdienten die Schweizer ihr Geld mit Söldnerdiensten im Ausland. Sie waren vor allem in Frankreich tätig und haben am Königshaus ihren Dienst versehen. Die Schweizer waren und sind berühmt für ihre Treue. Wenn sie einmal ihren Dienst angetreten hatten, waren sie extrem zuverlässig und haben nicht nur das Geld eingesteckt. Der damalige Kardinal Giulio della Rovere hat 1494 den Franzosenkönig Karl VIII. auf dem Zug nach Neapel begleitet und dabei die Bekanntschaft der Schweizer als Soldaten gemacht. Wenige Jahre später wurde dieser Kardinal zum Papst gewählt und nannte sich Julius II. Er erinnerte sich andie Schweizer und fragte an, ob er eine persönliche Leibwachebekommen könnte. Die Schweizergarde für den HeiligenVater war geboren. Im Dezember 1505 sind 150 Schweizerüber den Gotthard zum Papst nach Rom gezogen und am 22.Januar 1506 sind sie dort angekommen. Und diese Traditionhat sich bis heute gehalten.

Welches sind die Voraussetzungen, um ein Mitglied der Schweizergarde zu werden?
Graf: Man muss Schweizer Bürger sein, katholisch, den Militärdienst absolviert haben, eine abgeschlossene Berufslehre oder das Abitur vorweisen. Man braucht einen guten Leumund, den übrigens auch der örtliche Pfarrer bestätigen muss. Die Richtgröße ist 1,74 Meter.

Was genau ist die Aufgabe des Gardisten?
Graf: Wir haben verschiedene Aufträge. Im Mittelpunkt steht, für die Sicherheit des Heiligen Vaters zu sorgen. Wir begleiten ihn auf allen Reisen und sind an allen Eingängen des Vatikan positioniert und kontrollieren alle, die den Vatikan betreten wollen. Dort, wo der Papst gerade residiert, haben wir Residenzwache. Auch viele Ehrendienste gehören zu unseren Aufgaben, wenn beispielweise Staatsoberhäupter den Papst besuchen. Das geht bis hin zur Eskorte, die den Gast zum Heiligen Vater bringt. Dazu gehört auch der Ordnungsdienst bei großen Audienzen oder Papstmessen auf dem Petersplatz. Da kommen dann manchmal bis zu 25.000 und bei Großanlässen fast 100.000 Menschen hin.

Empfinden Sie es als eine große Ehre, dass Sie als Kommandant und Ihre Gardisten den Papst beschützen dürfen?
Graf: Für uns Schweizer ist das ein riesiges Privileg, seit mehreren hundert Jahren die Leibgarde des Papstes zu stellen. Es ist wirklich eine große Ehre. Der Papst ist das Oberhaupt aller Katholiken und Stellvertreter Christi auf Erden. Ich kann mir keine schönere Aufgabe wünschen als diese.

 Oberst Christoph Graf in Uniform mit der Garde.

Sie haben traditionell wunderschöne prächtige Uniformen und tragen oftmals noch ein Schwert. Ist das bei der sehr anspruchsvollen Tätigkeit als Leibwächter nicht manchmal hinderlich?
Graf: Wir können uns schon bewegen, aber sicher kann das Schwert auch hinderlich sein, etwa wenn man schnell laufen muss. Wir sind tatsächlich gerade daran zu klären, ob wir nicht noch eine Einsatzuniform schaffen, die praxisnäher ist. Aber oft ist die Uniform auch gut, weil die Menschen – etwa im Falle einer Panik – sofort die Gardisten sehen, die ihnen den Weg weisen. Die Uniform gehört einfach im Vatikan dazu. Die Leute suchen die Gardisten und wollen sie fotografieren.

Wie intensiv und hart sind Ausbildung und ständiges Training der Gardisten?
Graf: Alle haben den Militärdienst in der Schweiz gemacht und sind sehr gut ausgebildet. Bei uns geht es dann um das Exerzieren, die Handhabe der Hellebarde muss gelernt sein und natürlich haben wir auch eine ständige Ausbildung an der Waffe. Das ist gerade jetzt in dieser Zeit sehr wichtig gewordenDie intensive Ausbildung dauert zwei Monate. UnsereGardisten werden letztlich ständig ausgebildet und sindimmer auf dem neuesten Stand der Dinge. Das ist sehr wichtigfür diese sehr anspruchsvolle Aufgabe.

Wie ist die Fluktuation?
Graf: Ein Drittel verlässt uns planmäßig jedes Jahr, das heißt, wir müssen immer wieder neu ausbilden und von vorne beginnen. Im Schnitt bleiben die Gardisten zwei Jahre, nur ein kleiner Teil bleibt noch ein drittes Jahr. Das ist eine Riesenaufgabe. So müssen wir auch immer wieder neu motivieren.

Wie oft sehen und sprechen Sie den Papst persönlich,wie ist der Kontakt?
Graf: Ich habe einen sehr guten Kontakt mit dem Heiligen Vater. Ich kann als Kommandant Papst Franziskus jederzeit persönlich ansprechen. Das war früher protokollarisch nicht immer möglich. Ich frage ihn einfach, ob er Zeit für einen Termin hat. Dann treffen wir uns und besprechen alles Wichtige.

Jetzt sprechen Sie regelmäßig mit ihm?
Graf: Ja, ich treffe ihn regelmäßig. Er ist sehr an der Schweizergarde interessiert. Er nimmt sich Zeit für uns, hört zu, stellt Fragen, zeigt das, was man sich von einem Chef wünscht. Er erkundigt sich auch oft, wie es den Kindern und der Frau geht. Das ist schon sehr persönlich. Papst Franziskus hat ein großes Interesse daran, dass es den Gardisten gut geht. Das hat der Heilige Vater mir ans Herz gelegt und ich nehme es auch wahr. Denn wir müssen die Gardisten auch jeden Tag aufs Neue motivieren. Es gibt sehr wenig Freizeit. Die Einsatzzeiten sind mitunter sehr hoch und auch eine Belastung für jeden Einzelnen. Papst Franziskus ist da sehr sensibel und hellhörig.

Was gefällt Ihnen im Europa-Park besonders gut?
Graf: Ich war gestern mit Zirkuspfarrer Ernst Heller unterwegs und da habe ich gesehen, wie viele Kirchen es hier mitten zwischen den Attraktionen gibt. Das hat mich schon sehr überrascht. Mich beeindruckt, dass hier eine Familie dahinter steht, die auch Werte lebt und die sich zum Glauben bekennt. Das ist nicht alltäglich und überträgt sich sicherlich auch auf die Mitarbeiter. Wer für den Glauben einsteht, hat ein ganz anderes Verhältnis zu den Mitarbeitern. Das ist sehr wichtig. Es geht hier nicht nur um das liebe Geld. Im Europa- Park kommt übrigens das Kind wieder zum Vorschein – gerade bei den Erwachsenen. Ich kann abschalten und bin in einer total anderen Welt, wie in einem Märchen. Die Familie, die Kinder, alle haben eine Riesenfreude. Mein Sohn konnte es heute Morgen kaum erwarten, auf die Bahnen zu gehen.

Was sind Sie gefahren?
Graf: Wodan und Blue Fire. Toll!

Können Sie uns eine kleine Geschichte erzählen, was Sie bei den Päpsten erlebt haben – natürlich ohne indiskret zu sein?
Graf: Das ist ja bekannt, dass Papst Franziskus einfach allein zum Optiker oder auch einmal in eine Apotheke ging. Er macht schon ab und zu solche Privatausflüge.

Aber eigentlich hätten da doch Sicherheitsbeamte dabei sein müssen?
Graf: Ja, das stimmt, aber er hat darauf verzichtet und ist einfach weggefahren. Da waren natürlich alle überrascht. Das ist typisch Papst Franziskus. Das ist ja das Schöne an ihm, das Menschliche. Er will auch als Papst seine Freiheit haben! Natürlich ist das für die Polizei und uns auch schwierig, wenn solch eine Situation eintritt, aber ehrlich gesagt, habe ich auch Verständnis dafür.

Original Uniformen der Schweizergarde im Europa-Park:
In zwei Vitrinen im Hotel Colosseo sind zwei Uniformen der
Päpstlichen Schweizergarde zu bewundern. Diese erhielt der
Europa-Park anlässlich seines 30-jährigen Bestehens im
Jahr 2005.

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„Es geht hier nicht nur um das liebe Geld“ 

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   

Letztlich sind Sie und Ihre Gardisten auch als hochprofessionelle Personenschützer ausgebildet?
Graf: Ja klar, da gibt es innerhalb der Garde einen Kader von 30 bis 35 Leuten, die diese Spezialausbildung haben. Wir begleiten den Heiligen Vater ja auch auf allen Reisen – auch international. Ich war mit dem Papst sehr viel unterwegs. Das ist schon sehr streng und eine harte Aufgabe. Papst Franziskus will ja keine gepanzerten schweren Limousinen, sondern ein einfaches Fahrzeug, wie ein normaler Bürger. Das macht es nicht leicht für uns. In den USA war er mit einem Fiat Cinquecento unterwegs. Vorne und hinten die gigantischen Panzerwagen der Polizei und in der Mitte das kleine Auto mit dem Papst. Das ist schon sehr speziell. Papst Franziskus will auch keine großen Zeremonien, es soll alles einfach sein. Er sieht sich als der Diener der Diener.

Oberst Christoph Graf
wurde am 5. September 1961 geboren und ist in Pfaffnau (Kanton Luzern) aufgewachsen. 1987 trat er in die Päpstliche Schweizergarde ein und wurde im Laufe seiner Karriere 2015 zum Kommandanten ernannt.