Tücher für betuchte Damen

Mülhausen war weltweit führend beim Stoffdruck

Manche Stoffe haben großflächige, geometrische Muster aufgedruckt, andere verschlungene, orientalische Ornamente, Blumen oder Vögel. Einige Motive erzählen Geschichten. Ob Kleider, Möbel, Vorhänge, Bettwäsche, Fahnen oder Tischdecken: Stoffdruck hat viele Gesichter und eine lange Tradition. Das Bedrucken von Stoffen war weitaus komplexer als das von Papier. Man brauchte viele Arbeitsschritte, spezielle Farben und Behandlungen, handwerkliches Geschick und künstlerisches Gespür. All das wird im Stoffdruckmuseum in Mülhausen im „Musée de l’Impression sur étoffes“ lebendig. Zwischen Rhein und Vogesen gelegen, am südlichen Eingangstor der Elsässischen Weinstraße, hatte das Städtchen Mülhausen im 18. Jahrhundert die Führung in der Textilbranche übernommen.

1857 wurde das Museum eröffnet

Die aus Mülhausen stammenden Unternehmer Samuel Koechlin, Jean-Jacques Schmaltzer, Jean-Henri Dolfus und Jean-Jacques Feer gründeten 1746 in ihrer Heimatstadt eine Textilmanufaktur und entwickelten ein Verfahren, um den Baumwollstoff maschinell zu bedrucken. Bald galt international: Wer etwas auf sich hielt, trug Sommerkleider aus Mülhausen. Im Jahre 1856 wurden hier 48 Millionen Meter bedruckter Stoff hergestellt. Das Unternehmen exportierte bis ins Osmanische Reich. Die „betuchten“ Damen ließen sich Stoffe aus Mülhausen kommen, denn sie bevorzugten den bedruckten Baumwollstoff, der angenehm zu tragen und leicht zu pflegen war. Die Motive blieben länger bestehen als auf Seide. Im 19. Jahrhundert verkauften alle wichtigen Kaufhäuser Stoffe aus Mülhausen, darunter das berühmte „Samaritaine“ in Paris. Dekorative Teppiche und Tapeten wurden für herrschaftliche Räume und Schlösser gedruckt, auch für das Schloss Compiègne. Die spannende Geschichte des Stoffdrucks vergegenwärtigt das Stoffdruckmuseum, das die vier Unternehmer 1857 eröffneten.

Prachtvoll bedruckte Stoffe sind im Stoffdruckmuseum zu bewundern.

Das imposante Haus empfängt die Besucher am Kanal in unmittelbarer Nähe des Zentrums von Mülhausen. Sobald sich die Augen an die abgedunkelten Räume gewöhnt haben, kann man die Schätze dieses einzigartigen Museums entdecken. Im Erdgeschoss sind wunderschön bedruckte Stoffe zu sehen: Muster, Meterware, Teppiche, Halstücher und Schals. Es sind Stoffe aus der Region und der ganzen Welt ausgestellt. Im Regal stapeln sich unzählige Druckplatten, in die kunstvoll Muster oder Motive geschnitzt wurden, bevor sie Stück für Stück auf die entsprechend präparierten Stoffe gedruckt wurden. Anfangs von Hand und später mit Maschinen. Im ersten Stock sind historische Maschinen, Druckstöcke, Fotos, Texttafeln und Werkzeuge zu bewundern. Die großen alten Maschinen zeugen eindrucksvoll von der anstrengenden Arbeit, die bei spärlichem Petroleumlicht durchgeführt wurde.

Die Geschichte des Stoffdruckes wird lebendig

Mit handgeschnitzten Holzstempeln haben die Menschen bereits 1.000 Jahre vor Christus im fernen Osten Stoffgewebe bedruckt. Durch die Seefahrt kam der Stoffdruck nach Europa. Hier begann die fabrikmäßige Entwicklung und in Mülhausen entstand eine der ersten Stoffdruckfabriken. Ein lange Stoffbahn mit Bottichen und Walzen veranschaulicht den aufwändigen und anstrengenden Prozess des Stoffdruckes: Um den Stoff zu bedrucken, musste dieser zuvor unzählige Male gewaschen und gebleicht werden. Baumwolle war wegen ihrer Saugfähigkeit besonders beliebt. Die bis zu zehn Meter langen Bahnen wurden in einer Waschlauge gebleicht, dann gewaschen und immer wieder der Sonne ausgesetzt. Dann hat man den Stoff mit Hilfe von Rollen geglättet. Anschließend konnten die Drucker die Farben wie Firnissschichten auftragen. Bald lösten Druckmaschinen das manuelle Bedrucken an langen Tischen ab, so konnte kostengünstiger produziert werden. Bis Ende der 1970er boomte in Europa der Textildruck. Danach wurde die Produktion in Billiglohnländer verlagert. Nach Schließung der traditionellen Textilunternehmen, erzählt nun das Stoffdruckmuseum Mülhausen die facettenreiche Geschichte der Elsässer Textilbranche.

Musée de l’impression sur étoffes
14 rue Jean-Jacques Henner, 68100 Mülhausen
Telefon: 0033 3 89 46 83 00,
www.musee-impression.com
Geöffnet: täglich 10–12 Uhr und 14–18 Uhr (außer montags). Am 26. Dezember von 15 bis 18 Uhr und montags im Dezember von 14 bis 18 Uhr. Geschlossen am 1. Januar, 1. Mai, 25. Dezember. In der Umgebung von Mülhausen gibt es noch das Textilmuseum Wesserling und das Tapetenmuseum in Rixheim.

von Ute Bauermeister