Ausflug mit surrender Zigarre

Weltweit fliegen momentan nur vier Zeppeline. Einer davon war den ganzen Sommer über im Dienst des Europa-Park unterwegs, auch zu Flügen mit Passagieren über Deutschlands größten Freizeitpark.

Wer keine Partnerin oder keinen Partner mitgebracht hat, der bekommt jemand zugeteilt – denn der Einstieg in einen Zeppelin muss immer paarweise erfolgen. Sonst könnte das gewaltige Himmelsgefährt aus der Balance geraten und wäre nur noch schwer an seinem Ankerplatz zu halten. Doch das ist längst nicht die einzige Besonderheit an dieser Art des Fliegens – eine weitere: Obwohl ein Zeppelin mit einer Länge von um die 75 Meter etwas größer ist als der Airbus A380 und man sich beim Näherkommen wähnt, als spaziere man zu einer flugbereiten Zigarre, kann er fast überall starten und landen. Auch auf einem Feld beim Europa-Park. Von dort hob ein vom Park gemieteter und mit Logos ausgestatteter Zeppelin im Frühjahr eine Woche lang zu Rundfügen ab. Mehrmals täglich starteten jeweils mehr als ein Dutzend Passagiere zu einstündigen Rundflügen Richtung Offenburg, Straßburg oder Freiburg.

Auch Thomas Mack war begeistert von einem Zeppelin-Flug.

Für jeden Passagier wartete im Innern des Europa-Park-Zeppelins gleich die nächste Besonderheit. Von außen wirkte die Kabine noch ölsardinenhaft klein unter der rund 2.600 Quadratmeter umfassenden Hülle, doch das war eine optische Täuschung. Denn im Gegensatz zu den oft eng bestuhlten Kabinen moderner Passagierflugzeuge finden sich an Bord eines Zeppelins geradezu opulente Raum- und Sichtverhältnisse. Bei den Fenstern handelt es sich auch nicht um kleine Bullaugen, sondern um riesige Scheiben, durch die fast ein Rundumblick möglich ist. Nach wenigen Momenten sind alle Gäste an Bord, für den Start schnallt sich jeder an. Endlich wird die Zigarre losgelassen. Wie ein Fahrstuhl steigt sie steil nach oben, bis die Reiseflughöhe von etwa 300 Metern erreicht ist. Die Welt darunter wird zur Miniaturkulisse.

Selbst die großen Achterbahnen und das Hotel-Resort des Europa-Park erscheinen plötzlich wie Spielzeug-Anlagen in einem Kinderzimmer mit gigantischen Ausmaßen. „Sie dürfen sich nun frei bewegen“, sagt Flugbegleiter Adrian Hoffmann. Und wieder hält der Zeppelin Besonderheiten bereit: Schlitze der Fenster lassen sich öffnen und dem Piloten darf man über die Schulter da- bei zuschauen, wie er mit einem Sidestick Seiten- und Höhenruder steuert. Mit etwa 50 Stundenkilometern und leise surren- den Motoren zieht das Luftschiff nun seine Bahn – bei sonnigem, frühsommerlichem Wetter über den Boden den eigenen Schatten nach sich ziehend. Manchmal ruckelt es ein wenig, dann scheint das Flugobjekt der nostalgischen Art durch die Luft reiten zu wollen, doch meist schiebt sich die fliegende Zigarre geradezu sanft dahingleitend voran. Das Blickfeld reicht weit über den Oberrheingraben hinweg, eine dunkel in der Ferne aufschimmernde Spitze dürfte der Turm des Straßburger Münsters sein. Es wird deutlich, wie nah der Europa- Park am Rhein und damit an Frankreich liegt. Ein Greifvogel ist zu sehen, wie er gebieterisch über einem der vielen Teiche kreist, die wahleise als dunkelblaue oder grüne Farbklekse aus der Welt darunter schimmern.

Wer einen solchen Flug einmal mitgemacht hat, wird ihn mit Sicherheit in bleibender Erinnerung behalten.

Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 75 Stundenkilometern ist ein Zeppelinflug von vornherein nichts für Eilige, sondern was für Genießer und Menschen, die sich etwas Besonderes gönnen wollen. „Schon als Kind wollte ich mit einem Zeppelin fliegen“, erklärt ein Passagier. „Ich bin schon fast alles geflogen, jetzt fehlt nur noch ein Hubschrauber.“ Toll, angenehm, spannend, einzigartig – so fallen andere Urteile aus. Der Europa-Park hatte „seinen“ Zeppelin vor allem für außergewöhnliche Werbeflüge in der Bodensee- Region über den ganzen Sommer hinweg bei der Zeppelin Luftschifftechnik GmbH (ZLT) in Friedrichshafen mit seinen Logos branden lassen. Während der Flugwoche in Rust, bei der Passagiere mitfliegen konnten, gehörte auch Albrecht von Brandenstein-Zeppelin zu den Gästen. Er ist der Urenkel von Ferdinand Graf von Zeppelin (1838-1917), dem Begründer der Luftschifffahrt, die bis in die 1930er Jahre ihre goldene Zeit erlebte.

Im Eurotower des Europa-Park zeigt eine neue Ausstellung die Geschichte Graf Zeppelins und der Luftschifffahrt.

Inzwischen hat das Unternehmen ZLT den Traum vom Fliegen mit den schwebenden Riesenzigarren wiederbelebt, vier Zeppeline hat sie weltweit im Einsatz, zwei weitere befinden sich gerade im Bau. Im Gegensatz zu den Ur-Zepplinen fliegen ihre modernen Nachfolger, die den Beinamen „Neue Technologie“ tragen, mit unbrennbarem Helium. Wer einen solchen Flug einmal mitgemacht hat, wird ihn mit Sicherheit in bleibender Erinnerung behalten. „Schön, dass der Europa-Park das angeboten hat“, sagte eine ältere Dame beim Ausstieg – der natürlich mit Partner zu erfolgen hatte.

Christoph Ertz