Bis zu zwei Jahren
Die immense Palette der Anforderungen an Druckfarben ist im Eurolab ein tägliches Thema. Denn die Einrichtung in Karlstein am Main vor den Toren Frankfurts ist eines von zehn Forschungs- und Entwicklungszentren von Sun Chemical rund um den Globus. Verteilt auf drei Etagen unterhält der Konzern die Einrichtung seit 1993. Ein Besuch verdeutlicht, wie diffizil die Entwicklung von Druckfarben ist. „Bis zur Marktreife einer neuen Farbe kann es bis zu zwei Jahren dauern“, sagt Hirthammer. „Manchmal hat man aber auch nur ein paar Tage Reaktionszeit.“ Grundsätzlich bietet Sun Chemical alle Produkte und Dienstleistungen im Bereich der Druckfarben an.
Die rund 50 Mitarbeiter im Eurolab sind aber in insgesamt sechs unterschiedlichen Technologien unter anderem auf den Bogen- und Rollenoffset-Druck spezialisiert. Die Farben, die sie kreieren, wer- den vor allem für Publikationen und Verpackungen in ganz Europa, den USA und inzwischen auch in Asien verwendet. „Vor jedem neuen Projekt werden die Marktchancen genau erörtert“, betont der Eurolab-Leiter. „Wir müssen sehr aufpassen, keine Themen zu besetzen, die nachher nicht in den Markt eingeführt werden können.“
Denn: Die Arbeit im Eurolab vollzieht sich vor dem Hintergrund eines tiefgreifenden Strukturwandels. Ausgerechnet die traditionell stärksten Nachfrager von Druckfarben – Zeitungen und Magazine – befinden sich seit mehr als einem Jahrzehnt im Sinkflug. „Weltweit geht der Zeitungsmarkt jährlich um bis zu zehn Prozent zurück, bei den Magazinen um bis zu fünf Prozent“, erklärt Hirthammer. „Wann das Tal der Tränen erreicht ist, kann niemand sagen, aber zumindest bei den Magazinen ist die Aussicht nicht mehr ganz so schwarz.“ Heute arbeiten daher viel mehr Entwickler für den Verpackungsbereich als noch vor Jahren. Dieser Bereich bietet auch die kreativsten Innovationsmöglichkeiten. Viele Hersteller besonders aus der Kosmetik- und der Tabakindustrie lassen ihre Verpackungen beispielsweise mit Effekt-Farben versehen, um besondere Aufmerksamkeit zu erzielen.
Außerdem können beispielsweise haptische Effekte von den Entwicklern in die Druckfarben eingearbeitet werden. „Für Parfümwerbung haben wir Farben auch schon mit verkapselten Geruchsstoffen versehen“, erläutert Hirthammer. Moderne Innovationen von Druckfarben verbessern zudem die Produktionsprozesse bei den Kunden. „So haben wir eine Farbe auf den Markt gebracht, mit der eine Druckerei schon nach zehn Minuten mit dem Zuschneiden des Papiers beginnen kann, ohne in zusätzliche Trocknung investieren zu müssen“, gibt der Leiter ein Beispiel. „Bei einer Standardfarbe muss die Druckerei bis zu drei Stunden warten.“ Neben der genauen Planung sind die Innovationen ein wesentlicher Taktgber, um auf die schwieriger gewordene Marktsituation zu reagieren.
Ein weiterer ist die technische Ausstattung. „Wir investieren jedes Jahr mehr als eine halbe Million Euro in neue Geräte“, sagt Hirthammer. Ein Rundgang durch die Labore führt daher vorbei an Mitarbeitern, die in ihren typischen weißen Kitteln eher selten mit Reagenzgläsern zu hantieren scheinen – so, wie es der laienhaften Vorstellung von Labor-Tätigkeiten entsprechen würde. Vielmehr verfügt das Eurolab über etliche Hightech-Apparaturen wie einen papierlosen Simulator und andere Test- sowie Andruckgeräte.
Mit besonderem Stolz präsentiert Nanette Kernstock, Leiterin der Analytik, die jüngste Anschaffung: ein hochauflösendes Massenspektrometer zur Untersuchung der Farben nach Bestandteilen, die nicht hineingehören. „Selbst geringste Kontaminationen im Bereich Parts per Billion lassen sich damit nachweisen“, beschreibt Kernstock. Das ist unter anderem notwendig, um die strengen Gesetzesgrundlagen für Lebensmittelverpackungen zu erfüllen. „Neben Farben, die die Prozesse bei den Kunden vereinfachen und beschleunigen, sind immer umweltverträglichere Lösungen heute ein Haupttrend für Neuerungen“, betont Jürgen Dieker, der Grundlagenforscher. „Viele Pigmente von früher dürfen heute gar nicht mehr ein- gesetzt werden. Doch man findet immer Wege, damit sich die Kunden gegenüber ihren Konkurrenten differenzieren können.“
Fotos: Thomas Lohnes