Paint it cool

Lacksysteme können längst mehr als Farbe, Glanz und Schutz. Die innovativen Beschichtungen halten Wände, Dächer und Autos kühler und tragen so zur weltweiten Ressourcenschonung bei.

von Christoph Ertz

   

Sommer, die Sonne entfaltet ihre volle Kraft. Die Temperaturen auf der Erde steigen über 30, 40 Grad. In manchen Regionen klettert das Thermometer sogar auf um die 50 Grad. Solch eine Hitzewelle wurde zuletzt etwa aus Indien gemeldet. Während die Sonne so richtig auf die Tube drückt, lösen sich Millionen von Dollar, Euro, Yen oder Renminbi gleichsam in Luft auf, wenn etwa Klimaanlagen in Wohnungen und Büros für angenehme Temperaturen aber auch für hohen Energieverbrauch sorgen.

 Automobile und Architektur der Zukunft: Auch „Cool Coatings“-Systeme spielen dabei eine Rolle.

In Städten wird die Wirkung hoher Temperaturen sogar noch durch den so genannten Wärmeinsel-Effekt verstärkt: Steine und Asphalt heizen sich in der Sonne stärker auf als das grüne Umland. Wohnungen und Industrieanlagen geben viel Wärme ab. Gebäude sind eine der Hauptquellen für den weltweiten Hunger nach Energie. Allein in Deutschland entfallen nach Angaben des Bundesumweltministeriums rund 40 Prozent des Endenergieverbrauchs sowie etwa ein Drittel der CO2-Emissionen auf den Gebäudebereich. Allerdings stellen gerade Gebäude somit aber nicht nur ein Problem, sondern auch eine Lösung dar: Alles, was zur Reduktion des Energiebedarfs aus dem Gebäudesektor und damit auch von Treibhausgasen beiträgt, ist ein Trumpf im Klimaschutz. 

Die Lackindustrie wartet zur Ressourcenschonung mit der Entwicklung besonderer Beschichtungen auf: den so genannten „Cool Coatings“. Der Begriff umfasst Beschichtungen, die die Hitze zumindest teilweise draußen lassen, indem sie das Sonnenlicht reflektieren und Wärme abstrahlen. Oberflächen werden so von den „Cool Coatings“ vor Erhitzung und Alterung geschützt.

Vor allem basieren diese Beschichtungen auf der Fähigkeit bestimmter Pigmente, die nicht sichtbare Nah-Infrarotstrahlung des Sonnenlichts besonders gut zu reflektieren. Sonnenlicht, das als Strahlung zur Erdoberfläche gelangt, besteht im Wesentlichen aus drei Teilen: Wärmespendende Infrarot-Strahlung (IR), sichtbare Strahlung (Licht) und ultraviolette Strahlung (UV). Die Reflexion der Lichtwellen im nahen Infrarot- Bereich ist außerordentlich lohnend, da dieser Bereich etwa die Hälfte der solaren Wärmestrahlung abdeckt– dies gilt sogar unabhängig von der Farbe. Untersuchungen haben gezeigt, dass selbst auf schwarz gestrichenen Hausfassaden die Temperatur um bis zu 20 Grad Celsius niedriger ist als bei herkömmlichen Fassadenfarben. Zudem kommen in kühlenden Beschichtungen noch keramische Pigmente zum Einsatz.

 Auf Dächern werden „Cool Coatings“ wie hier von der Firma Löwener & Söhne bereits weltweit eingesetzt.

Wie in der Raumfahrt
Auf Dächern sind „Cool Coatings“ bereits stark im Kommen. So sind nach Angaben des US-amerikanischen Energieministeriums „cool“ bleibende Dächer der am schnellsten wachsende Sektor der Bauwirtschaft in den Vereinigten Staaten. In Deutschland hat beispielsweise eine Kölner Firma ein Cool-Coatings-System zur Dachbeschichtung im Sortiment. „ClimateCooler ist eine Farbe, die nach der Behandlung mit der Grundierung aufgetragen wird“, erklärt das Unternehmen. „Er ist mit wärmestabilen Pigmenten produziert, die auch in der Raumfahrt verwendet werden.“ Die Kombination von isolierenden keramischen Pigmenten in der Grundierung zusammen mit UV- und IR-reflektierenden Pigmenten führe zu einem System, das bis zu 80 Prozent der Hitzestrahlung von der Oberfläche reflektiere.

Neben Wand- und Fassadenfarben sowie Beschichtungen für Dächer lassen sich auch Lacke für den Automobilbereich mit Kühleffekt-Pigmenten ausstatten. So forscht beispielsweise ein Automobillackhersteller im Bereich funktionaler Lacke und hat nach eigenen Angaben eine Formulierung entwickelt, die eine Reduktion der Innenraumtemperatur unterstützt. Der spezifische Aufbau der einzelnen Lackschichten und die darin verwendeten Pigmente sorgen dafür, dass Sonnenstrahlen reflektiert statt absorbiert werden und somit auch mit dunklen Lackenbeschichtete Flächen an heißen Tagen deutlich kühler bleiben. Auf diese Weise kann die Temperatur der Außenhaut eines Automobils so stark reduziert werden, dass sich als Folge die Temperatur im Innenraum um bis zu vier Grad verringert und entsprechend weniger Energie für die Klimatisierung verwendet werden muss.

Auch wenn, wie etwa im Falle des Automobilbereichs, „Cool Coatings“-Systeme noch keinen flächendeckenden Einsatz finden, an ihrer grundsätzlichen Bedeutung dürfte kein Zweifel bestehen. Angesichts von Klimawandel und Ressourcenknappheit stellen die kühlenden Beschichtungen eine zukunftsweisende Option dar.

Fotos: AVA / Fraunhofer IAO, Löwener und Söhne, iStockphoto