Ist Rot die Farbe der Sieger?

Sportpsychologen untersuchen den Einfluss der Farben bei Wettkämpfen.

von Ute Bauermeister

   

Entscheidet die Farbe der Trikots über den Ausgang eines Fußballspiels? Forscher und Sportpsychologen haben sich mehrfach mit der Frage beschäftigt, ob Farben den Wettkampf beeinflussen. Starke Teams wie Bayern München und Manchester United laufen beispielsweise in roten Trikots ein. Gewinnen sie deswegen so oft? Wenn ja, warum führen rote Trikots eher zum Sieg? Einig sind sich die Forscher darüber, dass Farben Gefühle wecken und Stimmungen erzeugen. Im Tierreich steht die Farbe Rot für männliche Dominanz, Schnelligkeit, Entschlossenheit und Aggression. Daher liegt die Vermutung nahe, dass einerseits diese Eigenschaften auf die Träger roter Trikots abfärben, andererseits Rot die Gegner einschüchtert. Die Professoren Russel Hill und Robert Barton von der University of Durham untersuchten die Wirkung der Farbe Rot bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen in den Kampfsportarten Taekwando, Judo, Ringen und Boxen. Außerdem schauten sich die englischen Wissenschaftler auch die Fußball-EM im selben Jahr in Portugal unter diesem Aspekt genauer an. In ihrer 2005 veröffentlichen Studie „Rot erhöht die menschliche Leistung in Wettbewerben“ kommen sie zu dem Schluss, dass rote Trikots tatsächlich den Ausschlag zum Sieg geben können. Allerdings gilt das nur, wenn die Gegner etwa gleich stark sind. Eine schlechte Mannschaft wird auch dann nicht gewinnen, wenn sie rote Trikots trägt. Sind zwei Mannschaften oder zwei Kämpfer jedoch ähnlich gut, kann Rot zum Sieg beitragen.

Bei Taekwondo oder Boxen wird die Farbe der Kleidung oder Protektoren – entweder Blau oder Rot – gelost, es entscheidet allein der Zufall. Die Auswertung der Untersuchungen von Hill und Barton ergab, dass die in Rot gekleideten Sportler einen messbaren Vorteil hatten. Sie sind sich seither sicher, dass Rot erfolgreich macht.

Andere Erklärungsversuche für den Erfolg der Farbe Rot haben die Sportpsychologen Norbert Hagemann, Bernd Strauß und Jan Leißing angeführt: Ihrer Studie zufolge beeinflusst Rot die Kampfrichter. Ihre Abhandlung „Wenn der Schiedsrichter Rot sieht“ basiert auf einem Experiment, dessen Auswertung zeigt, dass Sportler in roter Kleidung bei identischer Leistung von denSchiedsrichtern besser bewertet werden. Müssen wir rote Trikots abschaffen? Zumindest sollten weitere Untersuchungen den Einfluss von Rot im Sport genauer unter die Lupe nehmen.

Drei Fragen an den Sportpsychologen Norbert Hagemann:

Sind Fußballer in roten Trikots tatsächlich im Vorteil?
Norbert Hagemann: Es gibt einige Studien, die zeigen, dass Fußballspieler in roten Trikots erfolgreicher sind. Hierbei handelt es sich aber um Beobachtungsstudien und keine experimentellen Arbeiten. Das heißt, hier müsste man noch die Leistungsstärke der Mannschaften berücksichtigen. Denken Sie an Bayern München. Die gewinnen häufiger, weil sie eine gute Mannschaft haben und nicht zwangsläufig weil sie in Rot spielen.


Was ist das Ergebnis Ihrer Studie?
Hagemann: Ich habe mit Kollegen eine Studie mit Kampfrichtern durchgeführt. Wir haben herausgefunden, dass die Kampfrichter im Taekwondo dem Kämpfer in Rot mehr Punkte zusprechen als dem blauen Kämpfer. Dieser Effekt kann nicht auf die Sportler zurückgeführt werden, da wir mit Videos gearbeitet haben, die wir digital manipuliert hatten. Es scheint also eine Assoziation zwischen der Farbe Rot und Dominanz beziehungsweise Aggressivität zu geben.


Werden Sportler selbst auch durch Rot beeinflusst?
Hagemann: Rot aktiviert Sportler. Kämpfer in Rot weisen einen höheren Puls auf und erzeugen direkt vor dem Wettkampf eine höhere Kraftleistung. Insgesamt muss man bei diesen Studien bedenken, dass die Effekte von Farben eher klein, aber nachweisbar sind.Nur wenn das Spiel auf der Kippe steht, kann die Farbe den Ausgang beeinflussen. Außerdem ist eine Aktivierung nicht immer gut im Sport. Oft kommt es auf Präzision und eine gute Koordination an. Und hier wäre eine Beruhigung die bessere Strategie, das heißt, hier hätte Blau oder Weiß einen Vorteil.

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