Flexible und farbenfrohe Spielfelder

Farben, Licht und veränderbare Module.

von Ute Bauermeister

   

Muffige Büros, in denen sich staubige Aktenordner stapeln, gehören der Vergangenheit an. Auch Großraumbüros mit Ficus und Schnurtelefon sind längst passé. Flexible Module sind das A und O moderner Arbeitsplätze. Das Büro der Zukunft ist intelligent, flexibel und farbenfroh. Es gleicht immer mehr einer Wohlfühloase, die eine Balance aus Freizeit- und Arbeitsalltag ermöglicht: mal eben am Tischkicker oder der Dartscheibe ausgetobt oder im Lümmelsack eine kurze Besprechung abgehalten. All das ist beispielsweise im „Pitch“, dem neuen adidas-Bürogebäude in Herzogenaurach möglich. Pitch heißt auf Deutsch Spielfeld und genau so ist das Konzept: Es gibt neben ergonomischen Arbeitsplätzen, die sich jeder täglich neu mit seinem Rollcontainer sucht, einen Raum mit Massagestühlen, in denen die Mitarbeiter eine kreative Denkpause einlegen können. „Je digitaler das Umfeld wird, umso mehr brauchen die Menschen einen haptischen Ausgleich, gerade um kreative Ideen zu entwickeln“, erläutert Professor Wilhelm Bauer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart.

Adidas und Mars preschen voran
Im „Pitch“ passen sich die Räume den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeiter an. In kleineren Meetingräumen beschriften kreative Köpfe mal schnell die Wände und den Boden, das bringt Bewegung und regt graue Zellen an. Alle Tische sind verstellbar, jeder kann im Sitzen oder im Stehen seiner Arbeit nachgehen. Mit dem Multimedia-Bluetooth-Headset wird telefoniert oder Musik vom Laptop gestreamt. Beamer und Fernseher übertragen Bilder kabellos. Wer auf den Whiteboards arbeitet, kann die Ergebnisse direkt auf dem USB-Stick abspeichern.

Farben als Inspirationsquelle
Im neu umgebauten Büro des Süßwarenherstellers Mars in Verden bei Bremen spielen Farben und Tiere eine wichtige Rolle. Neben einem speziell schallgedämmten Großraumbüro liegen kleinere, abgeschlossene Räume, die alle farblich anders gestaltet sind. „Die Umgebung ist großartig“, schwärmt Veronika Kraus. Die Wirtschaftspsychologin bespricht sich gerade im „roten Raum“ mit einer Kollegin. Tapeten mit Mustern regen die Fantasie an. Im „grünen Raum“ chillen zwei Mitarbeiter, während die „Lümmel“, kleine Sitzhocker in Orange, der Rückenmuskulatur Abwechslung versprechen. Die Chefs sind mittendrin, alles ist durchlässig, Büro oder Chefsessel dienen nicht mehr als Statussymbol. Hunde sind bei Mars übrigens ausdrücklich am Arbeitsplatz erlaubt und Gassi gehen alle zwei Stunden gestattet.

 Im Zentrum für virtuelles Engineering am Fraunhofer-Institut Stuttgart wird innovative Arbeitsgestaltung erforscht.

Grüne Treppen und lila Lampen
In Stuttgart wird im Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO die Zukunft des Arbeitens erforscht und erprobt. Vor drei Jahren wurde hier ein futuristisches Gebäude, das Zentrum für virtuelles Engineering (ZVE), eröffnet. Ein geschwungener weißer Bau mit Büro- und Laborflächen auf vier Ebenen um ein offenes Atrium herum. Austausch und Kommunikation stehen im Zentrum. Hier gibt es ineinander fließende Arbeitsräume mit Sichtbezügen, Bereiche für spontane Treffen oder geplante Besprechungen und flexible „Versuchsbüros“ mit gemeinschaftlich genutzten Arbeitsplätzen. „Wir sind glücklich und zufrieden hier, das sind tolle Raumsituationen, offen und kommunikativ, die auf flexible Bedürfnisse reagieren. Farbe fördert bei uns Vielfalt und bildet einen Gegenpol zur digitalen Welt, das kommt sehr gut an“, sagt Leiter Wilhelm Bauer.

Wohnen im vertikalen grünen Wald
Der Übergang von Arbeiten und Wohnen ist demnach fließend. Für beide Bereiche gilt: Wir wollen uns wohlfühlen. Sowohl Büro- als auch Wohnattraktivität lassen sich durch bestimmte Materialien wie beispielweise Holz und Glas verbessern. Wichtig sind richtige Raumproportionen und gute Ergonomie. Auch im Wohnbereich ist Nachhaltigkeit ein großes Thema: Leuchten mit innovativem Lichtenergiemanagement, klebefrei verlegte Teppiche aus recycelten Fasern sowie sparsames und intelligentes Strommanagement gehören für viele Menschen zum Standard. Und den Wunsch nach viel Grün, nach Pflanzen für Seele und Sauerstoff, erfüllt auf besondere Weise ein Hochhaus im Zentrum Mailands, auf dem 20.000 Pflanzen und 800 Bäume wachsen: Der „Bosco Verticale“ (vertikale Wald) führt die Zukunft der Städte vor und bekam den ersten Platz des renommierten „Internationalen Hochhaus Preises“. Architekt Stefano Boeri hat die beiden Wohntürme entworfen. An jeder Wohnung hängt eine Art schwebender Garten, in dem bis zu neun Meter hohe Bäume wachsen. Im Sommer nisten hier sogar Falken. Das Biotop direkt vor dem Fenster sorgt für natürliche Klimatisierung, die Menschen wohnen mitten im Stadtzentrum und doch im Wald. Der Schweizer Architekt Peter Vetsch geht nicht in die Höhe, sondern in die Tiefe: Er entwirft Häuser, die wie Höhlen unter Erdhügeln aussehen. Seit rund 40 Jahren hat er sich erfolgreich auf diese ökologische und umweltfreundliche Architektur spezialisiert.

Seine kuscheligen Erdhäuser sind wie eine dritte Haut des Menschen, eine Pionierarbeit für Formen und Farben. Im Winter braucht man wenig Heizung und im Sommer wird es nie schwül in diesen individuellen Gebäuden, die so flexibel sind wie künftige Büros. Die neuen Medien verändern unser Leben weiterhin rasant. Für die Jugend ist es selbstverständlich, mehrere Medien gleichzeitig zu nutzen. So werden sich Räume anpassen: Vom Bett aus mittels Joystick Konsolen, Tablet und gleichzeitig noch das Smartphone bedienen – alles machbar. Oder schon auf dem Heimweg die Bettdecke anwärmen, das Licht einschalten, die Raumtemperatur erhöhen, den Garten wässern und den Kühlschrankstatus abrufen. Wer weiß, bald erledigen wir mit der virtuellen Brille auf der Nase in der Hängematte liegend unsere Arbeit, rein gedanklich...

   

Fotos: Adidas Group, Mars, Paolo Rosselli, Christian Richters, Fraunhofer IAO, UNStudio, ASPLAN